Uschi Zietsch
Männlichkeit wieder hast! Höre, dein Gott spricht zu dir, der die Wahrheit kennt, denn er selbst verlangte den Preis, und nur er kann dir alles wiedergeben!«
»Nein!«, keuchte Kelric. »Mein Gott ist Elwin, nicht du, du Sonnendämon! Hebe dich hinweg von mir, du Scheusal, mich bekommst du nicht! Ich bade meinen Leib nicht mehr in Blut ...«
»So stirb!«, schrie der Gott außer sich und gab das Dämonentier frei, das sich mit orkanartigem Gebrüll auf Kelric stürzte.
Die vor der Höhle Wartenden hörten tumultartigen Lärm, unterschiedliche Schreie und schreckliches Getöse. Voller Grauen drängten sie sich zitternd und bebend zusammen und erschraken unwillkürlich, als jähe Stille eintrat. Wie gelähmt verharrten auch sie, keiner wagte schon zu überlegen, was sie nun tun sollten.
Nach einiger Zeit taumelte Kelric ans Licht; er sah erschöpft, aber unverletzt aus. Die Männer umringten ihn eilig und fragten besorgt, was geschehen sei. Kelric machte eine zufriedene Geste und öffnete die Hand, auf deren Fläche ein kleines dunkelpelziges Kugelwesen krabbelte und leise »Mimimimimi« machte.
»Was ist denn das?«, fragte der Vater verblüfft.
»Das«, antwortete Kelric, »ist, beziehungsweise war euer schrecklicher Unhold. Ich habe ihn in ein Pelzwuselchen verwandelt, eine Tierart, die im Grau Land häufig vorkommt.«
Die Männer sahen sich verwirrt an und brachen dann in lautes Gelächter aus. »Und er kann sich nicht mehr zurückverwandeln?«
»Nein, das ist der eigentliche Trick«, antwortete Kelric nicht ohne Genugtuung. »Da macht sich meine Lehrzeit bezahlt – und natürlich ein gutes Gedächtnis. Ich habe seinen Urnamen verändert, und wer den nicht weiß, kann ihm nicht helfen. Sein Gott Oloïn kann dagegen auch nichts tun, denn er darf mir wohl seine Angehörigen entgegenschicken, sie jedoch nicht neu erschaffen. Hier, schenkt ihn euren Kindern! Die Pelzwuselchen sind ein wenig dumm, aber sehr possierlich, robust und zutraulich.«
Fröhlich kehrte die Gesellschaft ins Dorf zurück, und man richtete ein Fest zu Ehren des Zauberers aus.
Kelric teilte am darauffolgenden Morgen seiner Familie mit, dass er sich nunmehr verabschieden müsse. Sie waren traurig, aber nicht überrascht; allen war klar gewesen, dass der Tag des Abschieds kommen würde. Sie versuchten trotzdem, ihn wenigstens noch für ein paar Tage zum Bleiben zu überreden, aber er lehnte ab und sagte Lebewohl, so schwer es ihm auch fiel, denn er wusste, dass es ein Abschied für immer war.
Aber er musste fort, vor den Versuchungen des Gottes fliehen; nun nicht mehr Jäger, sondern Gejagter in seinem eigenen Kampf.
12.
Ein Gespräch mit Oloïn
Kelric floh weiter durch das Gebirge in das Innere des Landes; er hielt kaum inne, denn er war Entbehrungen und wenig Schlaf gewöhnt, aber das Bewusstsein, verfolgt zu werden, belastete ihn. Und der Gott folgte ihm; Kelric spürte ihn oft hinter sich oder sah gegen Sonnenuntergang auf einem hohen Felsen eine riesige Gestalt, die ihn zu beobachten schien. Er wandte schnell den Blick und floh weiter – aber wohin? Wohin auf dieser Welt sollte er sich wenden, um der Verfolgung eines Gottes zu entgehen? Kelric verspürte einen Hauch von Zweifel in sich. Der Gelbe Gott schien fest entschlossen, den Kampf zwischen ihnen zu beenden, sei es, dass er endlich seinen Versuchungen nachgab und sein Diener wurde, oder den Tod fand.
Kelric floh tagelang vor dem Frühling immer höher ins Gebirge hinauf, bis die Luft dünn und der Himmel dunkel wurde. Schließlich schaute er an einem klaren Tag von der westlichen Seite des Großen Gebirges hinab auf die langgestreckten Höhenzüge von Loïree, hinter denen das Riesental begann. Es war ein schöner warmer Sonnentag; Kelric genoss die schmeichelnden Strahlen auf dem Rücken und schaute zufrieden umher, als sich schräg hinter und über ihm einige Felsbrocken lösten und polternd herabfielen. Er fuhr herum und erblickte gerade noch einen kleinen huschenden Schatten, der über das nächsthöhere Plateau davon schoss. Kelric schickte augenblicklich seinen Geist hinterher und prallte mit solcher Wucht auf Widerstand, dass er fast gestürzt wäre.
Zornentbrannt hob er die Arme und schrie in die Stille hinein: »Also gut! Jetzt habe ich genug. Komm und zeige dich, und wir handeln es aus! Ich habe es satt!« Wütend drehte er sich um und begann den Abstieg. Bis zum Abend wollte er die Pflanzenregion erreichen, damit er ein Feuer entfachen konnte.
Am Abend
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