Uschi Zietsch
und durchschritt den Eingang schließlich mit gespitzten Ohren. Gemessenen Schrittes betrat er die große Thronhalle, die der Dwing gleichzeitig über die Treppe hinab erreichte.
Die Frau, die der Dwing erstaunt als Menschenmädchen erkannte, rutschte vom dampfenden Rücken ihres Reittiers. »Bitte nicht angreifen!«, rief sie mit erhobenen Händen. »Wir kommen in friedlicher Absicht! Wir brauchen Hilfe ...«
In diesem Augenblick stieß der Wolf ein klägliches Winseln aus und sank in sich zusammen. Eine glitzernde Nebelwolke hüllte ihn ein. Als sie sich auflöste, lag ein nackter Mann auf dem Boden, zusammengekrümmt, stöhnend und Blut hustend.
»Kelric!«, schrie das Mädchen auf und stürzte zu dem Mann. »Oh, bitte, helft uns, ich glaube, er stirbt ...«
Der Dwing löste sich endlich aus seiner starren Haltung. »Das ist Lord Kelric?«, stieß er hervor, trat zu den beiden Menschen und beugte sich über sie. Hastig löste er den Umhang von seinen Schultern und bedeckte den Zauberer. »Bei allen Mächten, dies ist ein denkwürdiger Tag!« Er wandte sich zu dem Gardisten, der in respektvoller Entfernung wartete. »Gib sofort den Heilern Bescheid, wir müssen umgehend handeln! Und schicke Träger, die den armen Mann zu einem bequemen Lager bringen sollen!«
Die junge Frau war kaum dazu zu bewegen, sich von dem Zauberer zu lösen, als Träger mit einer Bahre kamen, auf die sie behutsam Kelric legten, der mühsam nach Atem rang und augenscheinlich nichts um sich herum bemerkte. Der Dwing legte seine krallenbewehrte Hand auf die fieberheiße Stirn des Zauberers, seine Miene war sehr besorgt. Aber er lächelte die junge Frau zuversichtlich an und reichte ihr seine Hand, um ihr beim Aufstehen zu helfen.
»Machen Sie sich keine Sorgen«, sagte er freundlich. »Meine besten Heiler werden sofort alles Notwendige tun. Lord Kelric wird es schon in weniger als einer Stunde sehr viel besser gehen.«
»Bitte, ich möchte zu ihm«, flüsterte sie. Sie war bleich wie ein Gespenst und zitterte am ganzen Körper.
»Nein, meine Liebe, auch Sie müssen versorgt werden. Sie brauchen ein Bad, mindestens ein Heilgetränk, ein wenig Schlaf und angemessene Kleidung. Beim Abendessen werden Sie mir alles erzählen. Vertrauen Sie mir.« Er winkte einer bereits wartenden Zofe. »Verraten Sie mir nur noch, mit wem ich die Ehre habe?«
»Aber natürlich, verzeiht meine Unhöflichkeit in all dieser Aufregung«, antwortete sie. »Ich bin Prinzessin Gorwyna aus Loïree.«
Da stutzte der Dwing ein zweites Mal. »Dies ist in der Tat ein denkwürdiger Tag, edle Dame«, sagte er. »Ich werde sofort einen Botenfalk zu Ihren Eltern schicken, um ihnen die frohe Botschaft zu verkünden, dass Sie leben und wohlauf sind. Und nun vertrauen Sie sich bitte den kundigen Händen der Dwarg an, denn Sie haben Erholung dringend nötig.«
»Eine Bitte habe ich noch«, sagte Gorwyna. »Wir müssen so schnell wie möglich nach Laïre.«
»Ich verstehe. Ich werde sofort zwei Pfeilstiere kommen lassen. Bis spätestens morgen Mittag sind sie eingetroffen. Seien Sie ganz beruhigt.«
Sie nickte erschöpft und versuchte zu lächeln. Dann folgte sie der Dienerin.
Am nächsten Morgen bereits erschien Kelric zum Frühstück. Gorwyna wäre am liebsten aufgesprungen und ihm um den Hals gefallen, aber sie wagte es nicht, um ihn nicht in eine unangenehme Lage zu bringen. Niemand durfte wissen, was zwischen ihnen beiden bestand; immerhin war jedermann auf Lerranee bekannt, dass die Zauberer im strengen Zölibat leben mussten. Und Kelric war schließlich eine Legende. Da musste sie hintenanstehen. Aber das fiel ihr nicht schwer, denn sie war erfüllt vom Glück, ihn so munter zu sehen. Er war natürlich ebenso abgemagert wie sie, aber seine Bronzehaut hatte einen gesunden Ton, nicht mehr so fahlgrau, und sein Schritt war so federnd und elastisch wie gewohnt.
Gorwyna fühlte sich selbst auch erholt und gesund. Der Wassernöck hatte nicht zu viel versprochen; die Dwarg verstanden sich auf Heilung. Sie hatte ausgezeichnet geschlafen, schon am Nachmittag einige Stunden, und die halbe Nacht, denn sie hatte dem Dwing viel zu erzählen gehabt, und er hatte noch mehr Fragen an sie gerichtet. Die Dwarg schienen äußerst fasziniert von ihr zu sein, angefangen bei der Zofe. So viel Aufmerksamkeit hatte man Gorwyna noch nie entgegengebracht, wie ein Schmuckvogel wurde sie bestaunt, zaghaft berührt und gestreichelt.
»Aber Sie kennen doch Menschen?«, fragte sie den Dwing
Weitere Kostenlose Bücher