V wie Viktor
mir klar, dass es ihres ist.«
Ich platzte fast vor Neugier!
»Eigentlich sollte ich Ihnen das nicht erzählen …«
Die Pause zog sich … endlos …
»Aber vielleicht können Sie ihr sogar helfen.«
»Ich? Sasha? Wie käme ich denn dazu?«
Irritiert und schon fast ein wenig verärgert sah ich nun auf. Er schüttelte denn Kopf, als wolle er meine Bedenken damit verscheuchen.
»Sie ist nicht böse. Und wenn sie etwas Falsches getan hat, dann nicht mit Absicht.«
»Darius, wenn ich das glauben soll, müssen Sie wirklich ein bisschen mehr mit der Sprache rausrücken.«
Er überlegte kurz, holte dann tief Luft.
»Ok. Eigentlich hat sie nur Angst. Panische Angst, ihre Familie ein zweites Mal zu verlieren. Es muss so um 1770 gewesen sein, als die letzte Pest in Moskau wütete, sie war auf jeden Fall noch sehr jung damals. Auch in dem kleinen Ort, in dem sie lebte, hatte die Seuche zugeschlagen. Sie hat alle verloren, Mutter, Vater, auch ihre kleine Schwester, die noch ein Baby war und die sie wohl abgöttisch geliebt hat. Sie ist als Einzige im ganzen Dorf verschont geblieben, warum auch immer. Ich weine sicher nicht leicht, aber ich hab beim Lesen geheult wie ein kleines Kind.«
Ich versuchte mein ungläubiges Staunen zu verbergen.
»Sie war mutterseelenallein in einem Dorf voller Leichen, es muss entsetzlich gewesen sein. Können Sie sich vorstellen, wie glücklich sie war, als nach 3 Tagen eine Kutsche im Dorf hielt und ein junges Pärchen ausstieg?«
Er wischte sich möglichst unauffällig über die Augen und fuhr fort.
»Die auch noch freundlich und hilfsbereit waren. Sie wollte nur so schnell wie möglich dort weg, woher hätte sie ahnen können, dass sie an eine gefährliche und bösartige Bestie geraten war.«
Er seufzte.
»Tja, Pierre konnte sein wahres Ich schon immer gut verstecken.«
»Pierre???«
Jetzt war ich richtig geschockt.
»Pierre hat Sasha verwandelt? Oh mein Gott Darius! Das wird ja immer schlimmer! Dann ist es doch mehr als logisch, dass sie etwas mit dem Angriff letzte Nacht zu tun hat!«
Er schüttelte wieder den Kopf.
»Sie hasst ihn. Aus tiefstem Herzen! So sehr wie Viktor seinen Schöpfer hasst.«
»Und das glauben sie ihr?«
»Ich glaube nicht ihr. Ich glaube dem Tagebuch eines hilflosen, jungen Mädchens, das fast wahnsinnig vor Angst niemanden hatte, dem sie sich anvertrauen konnte, nur dieses Büchlein.«
Ich war ganz und gar nicht überzeugt. Als ich gerade widersprechen wollte, öffnete sich die Tür einen Spalt und das junge Mädchen blinzelte herein.
»Entschuldigung … Herr Santini erwartet Sie. «
Ihr schüchternes Stimmchen war fast nicht zu hören. Während ich aufstand, winkte Darius sie zu sich.
»Komm rein Johanna und setz dich. Ich hab dir einen Kakao aufgehoben.«
Sie lächelte ihn an und ein Leuchten flog über sein Gesicht. Schmunzelnd ließ ich die beiden allein. Als ich ins Arbeitszimmer trat, sprang Viktor auf und schloss mich fest in die Arme.
»Geht es dir gut, mein Engel?«
Ich nickte und schmiegte mich an ihn. Die beiden anderen saßen am Kamin, Raphael nickte mir zu, während Andrew düster vor sich hin brütete. Viktor bugsierte mich in den verbliebenden freien Sessel und setzte sich neben mich auf die Armlehne, seine Hand lag beruhigend auf meiner Schulter. Raphael ergriff das Wort.
»Anna. Meine Liebe. Das war sicher alles sehr verwirrend und aufregend für dich. Und ich würde dich nur zu gerne zur Ruhe kommen lassen, aber wir brauchen deine Hilfe. Du bist die einzige, die in dieser Nacht dabei war. Vik erinnert sich leider an fast nichts mehr.«
»Aber ich hab ja nichts gesehen, es war so dunkel …«
Raphael nickte.
»Ich weiß. Aber es gibt einen Weg, auch das ans Licht zu bringen, was du nicht bewusst gesehen hast. Dafür müsstest du mir gestatten, in dein Unterbewusstsein zu schauen. Es ist so eine Art Hypnose. Was meinst du?«
Shit.
Schon wieder jemand, der in meinem Kopf herumfuhrwerken wollte. Langsam wurde mir das wirklich zu viel. Mein ungewollter Seufzer schwebte in die Totenstille wie ein verirrter Falter. Alle drei sahen mich erwartungsvoll an. Was sollte ich tun? Andrew konnte sich schließlich nicht mehr zurückhalten. Seine Augen schimmerten türkis vor unterdrücktem Zorn.
»Das ist doch total unnötig. Es gibt keinen Zweifel! Die falsche Schlange soll …«
Raphael brachte ihn mit einer energischen Handbewegung zum Schweigen. Darius Worte gingen mir durch den Kopf.
Vielleicht können Sie ihr sogar
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