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Stöhnen brach er über mir zusammen.
So blieben wir eine ganze Weile liegen, heftig atmend. Unsere verschwitzten Körper klebten aneinander. Ich genoss sein Gewicht auf mir. Schließlich rollte er sich seufzend von mir herunter. In dieser Nacht schlief ich mit dem Kopf auf seiner Schulter und meinem Bein über seinen ein. Niemals, nicht in meinen kühnsten Träumen, hätte ich mir vorzustellen gewagt, was in den kommenden zehn Tagen alles geschehen würde. Am nächsten Morgen war Rüdiger längst zum Bahnhof gefahren, als ich vom Klingeln des Telefons geweckt wurde.
»Guten Morgen, Amanda. Wie stehen die Aktien? Hast du nachmittags Zeit für einen Besuch? Gut, ich hole dich um siebzehn Uhr an der Haltestelle ab, damit du deiner neugierigen Nachbarin nichts erklären musst. Nimm dir etwas Warmes mit, es könnte spät werden.«
Bis zum Nachmittag platzte ich fast vor Neugierde. Was würde wohl heute auf mich zukommen? Ich stand um Punkt fünf am Bushäuschen. Da Markus nichts Konkretes über den Anlass verraten hatte, trug ich »Gesellschaftskleidung«: kurzer Rock, taillierte Bluse, Blazer. In einer Tasche hatte ich mir noch ein Paar Jeans und einen leichten Kaschmirpullover eingesteckt. Im ersten Moment reagierte ich gar nicht auf den Angeberschlitten, der schwungvoll vor mir zum Stehen kam. Erst als die Beifahrertür aufschwang und Markus’ »Bitte einsteigen und Türen schließen« mich aus meinen Gedanken holte, stieg ich etwas zögerlich in den dunkelgrünen BMW ein.
»Ich wusste gar nicht, dass du so ein schickes Auto fährst.«
»Fahr ich auch gar nicht. Es ist geliehen, denn mit meiner alten Klapperkiste würden wir dort, wo wir jetzt hinfahren, unnötig auffallen.«
Ich erschrak. »Du hast mir nicht gesagt, dass es eine feine Angelegenheit wird. Dann hätte ich mir doch etwas anderes angezogen.« Verlegen zupfte ich an meiner Aufmachung herum. Markus warf einen kurzen Blick darauf und zuckte mit der Schulter.
»Ich weiß nicht, was du hast. Ist doch in Ordnung. Absolut ausreichend.«
Er schwieg sich geheimnisvoll über unser Fahrtziel aus, obwohl ich alle Register zog und versuchte, es aus ihm herauszubekommen. Ich sah nur, dass es ins Hinterland ging. Markus unterhielt mich mit Anekdoten, Skandalen und Skandälchen aus Wassilijs Künstlerkolonie. Er war ein amüsanter Erzähler, der sich auch selbst nicht mit Spott verschonte. Nach etwa einer halben Stunde Fahrt griff er in die Ablage unter dem Armaturenbrett und legte mir eine schwarze Schlafmaske in den Schoß.
»Die musst du umbinden. Unsere Gastgeberin legt Wert darauf, anonym zu bleiben. Ich muss dich auch bitten, dass du über den Besuch zu niemandem sprichst. Okay?«
Mir wurde unbehaglich zu Mute. Trotzdem befestigte ich die Maske über meinen Augen. Das mulmige Gefühl wurde noch dadurch verstärkt, dass ich nichts sah. Wie ich das hasste! Markus würde sicher nichts mit mir geschehen lassen, was Rüdiger dann zu unangenehmem Nachfragen bewegen konnte – oder? Ich sah bestimmt albern aus. Zum ersten Mal war ich dankbar für getönte Fensterscheiben in einem Auto. Steif saß ich in meinem Sitz und versuchte, das leichte Herzklopfen zu ignorieren.
Der Wagen bremste und die Reifen knirschten auf Kies. Das Geräusch hielt eine Weile an; ich schloss auf eine lange Auffahrt. Langsam rollte das Auto aus. Ich hob die Hände, um mir das blöde Ding abzureißen.
»Noch nicht«, bremste Markus mich und hielt meine Hand fest. »Warte, bis wir im Haus sind.«
Er half mir beim Aussteigen und führte mich einige breite Stufen hoch. Die Eingangstür musste ebenfalls großzügige Ausmaße haben, denn wir passierten sie, ohne dass wir näher zusammenrücken mussten. Als ich Teppichboden unter den Füßen spürte, ließ er meinen Arm los.
»Jetzt darfst du dich umsehen.«
Ich zog die Maske herunter. Der Raum, besser: die Halle, erinnerte mich an ein Museum. So viele Antiquitäten hatte ich noch nie in einer Wohnung gesehen. Der Boden war von dicken Perserteppichen bedeckt. Die Portraits an den Wänden sagten mir nicht besonders zu. Aber was für wunderschöne Möbel! Die Sitzgarnitur sah aus wie original Biedermeier und eine geschweifte Kommode hatte Intarsien wie vergleichbare Stücke in Versailles.
Hinter einer großzügigen Fensterfront sah man nur Grün; das Grundstück musste riesig sein. Markus war nach draußen auf eine Terrasse gegangen und schritt auf eine hochgewachsene Dame mittleren Alters zu, die ihm, unter einem Sonnenschirm stehend,
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