Vaethyr: Die andere Welt
landete stattdessen auf dem kochenden Wasserkessel. Schreiend zog er sie zurück. Sam packte ihn am Morgenmantel und drückte ihn sanft, aber entschlossen gegen die Marmorplatte der Kochinsel.
»Um Alastair ist es jammerschade, aber ich habe ihn nicht umgebracht«, sagte Sam nachdrücklich. »Diesen Weg hat er selbst gewählt. Alles, was Rosie und ich getan haben, ist, herauszufinden, dass wir beide Gefallen an unglaublich heißem Sex haben. Ja, das war falsch, aber waren drei Tote als Rache dafür tatsächlich gerechtfertigt? Ist das ein fairer Ausgleich, was meinst du? Wünschst du dir vielleicht, sie hätten Kinder gehabt, damit er die auch noch hätte töten können? Ja?«
»Nein.« Seine Wut nahm ab und machte Zweifeln Platz. Flüsternd fragte er: »Tote?«
»Die Welt hat sich weitergedreht, während du deinen Aussetzer hattest, Matt. Du hast dich nicht einmal nach Lucas erkundigt.«
Matthews Gesicht veränderte sich. Die Realität, die er während seines Amoklaufs vergessen hatte, offenbarte sich ihm nun und überwältigte ihn. Er sah aus wie ein entsetzter Zwölfjähriger. »Ist er …?«
»Er lebt. Auf dem Weg der Besserung.«
Matt starrte ihn an. »Ich trau dir nicht«, sagte er barsch.
»Es ist die Wahrheit. Mir ist nicht danach, dich zu quälen. Aber wo warst du, als deine Familie dich gebraucht hätte?«
»Ich habe meine Frau gesucht.«
»Du hast sie gejagt.«
»Wo ist sie?«
»Du hast gesehen, wo sie hinging«, sagte Sam. »Doch trotz deiner Reißzähne und all deines Getöses warst du zu feige, ihr zu folgen.«
Matthew versuchte erneut nach ihm zu schlagen, aber seine Kraft war verschwunden. »Na komm.« Sam schleppte ihn zum Stuhl und legte ihm die Daunendecke um die Schultern. »Bist du jetzt fertig? Brav. Wie wär’s mit heißer Schokolade?«
Geschlagen trank Matthew aus dem Becher, den Sam ihm reichte. Als er sprach, war seine Stimme schwach, aber klar. »Du wirst dich nicht reinwaschen, indem du jetzt den Pfadfinder spielst. Ich mag dich nicht, Sam. Du bist ein Schurke.«
»Und du bist so ein toller Menschenkenner. Dann wird es wohl stimmen.«
»Ich wusste das, schon als wir uns das erste Mal begegnet sind. Verdammt, du hast doch als Erstes gleich meine Schwester angegriffen!«
»Ich weiß und seitdem lauf ich mit härenem Büßergewand herum. Aber ist dir eigentlich nie in den Sinn gekommen, dass Rosie und ich durchaus in der Lage waren, das zwischen uns zu klären? Sie hat ihre Halskette wiederbekommen. Und mir sogar verziehen.«
Matthew ballte seine Hand zur Faust, zuckte dabei aber zusammen und streckte seine erdbeerroten Finger aus. »Ich hätte es ihr zurückholen sollen. Ich habe versagt.«
»Oh, dann geht es also darum? Um dein Versagen.«
»Ich habe mein ganzes Leben lang versucht, meine Schwester vor Leuten wie dir fernzuhalten.«
»Du kannst deine Geschwister nicht kontrollieren. Das werden sie dir niemals danken.«
»Fern von Leuten wie mir .«
»Vor aufgeblasenen Schnöseln?«
»Vor Elfenwesen! Vor Monstern wie mir.«
»Du bist kein Monster, Matt. Dafür bist du nicht mal annähernd unheimlich genug.«
»Für dich ist alles immer lustig, nicht wahr? Selbst Rosies Ehe.« Matthew zupfte matt an seinen Ärmeln. »Diese Kraft, die über uns kommt – die ist obszön.«
»Und deshalb sollen wir Menschen spielen? So tun, als wäre sie nicht da, dann wird sie irgendwann schon weggehen? Und die arme Faith zu Tode erschrecken?«
»Sie hat mich hintergangen.«
»Du Idiot!«, rief Sam aus. »Für wen hältst du dich eigentlich? Du hast eine wunderbare Frau, die dich bewundert, und du siehst es nicht einmal. Sie lebt seit Jahren in Angst davor, du könntest ihr kleines Geheimnis entdecken. Du solltest dich schämen. Mein Gott, das macht mich so wütend, dass mir die Worte fehlen.« Matt starrte ihn entgeistert an. Sam fuhr fort: »Sie ist nicht dein Eigentum. Sie existiert nicht, um deine Illusionen zu stützen. Denk mal an den Wortlaut deiner ersten Frage: ›Wo ist Faith?‹ Nicht: ›Wie geht es Faith? Geht es ihr gut? Was macht Heather?‹ Nein. Sie hat dir überhaupt nichts getan. Du solltest sie unter allen Umständen lieben. Du solltest dich auf die Knie werfen und sie um Verzeihung bitten. Doch du denkst bei allem nur an dich. Du hast eine dich liebende Frau und eine süße Tochter, aber das ist dir völlig egal. Du verdienst sie nicht! Wenn du gesehen hättest, was für eine Angst dieses kleine Mädchen hatte – verdammt, ich kann nicht mehr mit dir
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