Vaethyr: Die andere Welt
ist ja nicht so, dass ich mit Jon zusammen war und er mich betrogen hätte. Ich habe keinen Anspruch auf ihn. Es ist nur – was hat Mel, was ich nicht habe? Ich kann nicht glauben, dass Jon so oberflächlich ist, dass er Blondinen bevorzugt, aber vielleicht ist es so. Ich hätte alles dafür getan, um mit ihm zusammen zu sein. Aber er will stattdessen Mel und hat überhaupt kein Interesse an mir!« Ein Knurren entrang sich ihrer Kehle. »Wollte ich hören, dass er und Mel miteinander glücklich sind? Nein. Will ich hören, dass Jon ein hoffnungsloser Schnorrer und zudem im Bett eine Null ist? Nein, das will ich nicht. Das Leben weigert sich, meiner Vorstellung zu entsprechen. Na gut. Aber weh tut es trotzdem.«
»Ich weiß«, sagte Faith und streichelte ihr den Arm. Sie saß mit nach innen gedrehten Füßen da und sah Rosie bekümmert an.
»Es wird schon wieder«, seufzte Rosie. »Hey, man sieht deinen Haaransatz, Fai. Möchtest du mal eine andere Farbe ausprobieren? Wie wär’s mit unten schwarz und das Deckhaar blond? Trau dich was!«
Mit gerunzelter Stirn schob Faith verlegen ihre Haare hinters Ohr. »Matthew mag es natürlich.«
»Was hat das denn mit Matthew zu tun?«, platzte es aus Rosie heraus. Und musste gleich darauf lachen. »Wir sind schon ein trauriges Paar, nicht wahr? Sieh uns an. Schmachten Männer an, denen wir nicht gleichgültiger sein könnten.«
Faiths Stirnfalten wurden tiefer. Ihre Augen funkelten.
»Wie?«, sagte Rosie. »Sag mir jetzt bloß nicht, dass auch du mit Jon geschlafen hast!«
»Natürlich nicht! Aber ich schmachte nicht. Wir werden heiraten.«
»Wer ist wir?« Rosie war sprachlos.
»Ich und Matthew natürlich. O nein, ich wusste, dass du so dreinschauen würdest!«
»Wie dreinschauen?«
»Völlig fassungslos!« Faith stand auf, so lebhaft, wie Rosie sie noch nie gesehen hatte. »Niemals würde er Augen für so ein Mäuschen wie mich haben, das ist es doch, was alle immer gedacht haben, nicht wahr? Nun, sie haben sich geirrt. Ich habe mich geirrt.«
»Nein, ich – ich glaube dir.« Rosie konnte kaum sprechen. »Aber es kommt so überraschend. Du und Matt – wieso habe ich davon nichts mitgekriegt?«
»Das Leben zu Hause friert nicht ein, während du auf dem College bist«, sagte Faith spitz. »Alles läuft weiter, auch wenn du nicht da bist.«
»Sieht ganz so aus.« Rosie brachte ein Lächeln zustande und Faith entspannte sich sichtlich. »Nun erzähl schon.«
»Wir sind uns irgendwie … nähergekommen. Anfangs taten wir beide so, als wäre nichts geschehen, aber dann landete ich bei ihm im Zimmer, und es war so unglaublich … Das erste Mal war ich wirklich aufgeregt, aber als ich ihm sagte, ich hätte das noch nie gemacht, sondern mich für ihn aufgehoben, freute er sich darüber so sehr, dass ich glaubte, er würde in Tränen ausbrechen.« Ihre Augen glänzten. »Ich will es dir schon seit einer Ewigkeit erzählen, aber es war … es war mir peinlich. Ich habe immer versucht den richtigen Moment abzupassen. Und ich fand es so unsensibel, da du wegen Jon so unglücklich warst.«
»Du brauchst mich aber nicht wie ein rohes Ei zu behandeln.«
»Also, du verträgst dich mal besser wieder mit Mel, ich brauche nämlich Brautjungfern.«
Faith berührte ihren Bauch. »So bald wie möglich, denn nächsten Mai kommt das Baby.«
Rosie starrte sie mit offenem Mund an, fortgerissen vom Strom anderer Leute Leben. Als sie ihre Sprache wiedergefunden hatte, fragte sie: »Wissen meine Mum und mein Dad Bescheid?«
»Ja. Jessica war die Erste, der ich es erzählt habe. Sie freut sich.«
»Das ist großartig – meine Güte, aber Fai, bist du dir auch ganz sicher? Wir sind doch gerade mal zwanzig. Ein Kind ist eine gewaltige Verantwortung. Ich wäre noch nicht so weit.«
»Doch, ich schon«, sagte Faith entschieden. »Das ist das, wovon ich immer geträumt habe. Eine eigene richtige Familie. Bitte freu dich für uns.«
Mel kam und lehnte sich in den Türrahmen, sie hatte rote Augen. »Sprecht ihr beiden wieder mit mir?«
»Ja.« Rosie seufzte und schlang einen Arm um Faiths Taille. »Uns geht es gut. Fai hat Neuigkeiten.«
»Hab ich gehört.« Mel lächelte. Ihr habt doch sicherlich mitbekommen, dass ich gelauscht habe? Aber erst muss ich mit dir reinen Tisch machen, Ro. Was Jon betrifft … Es war, als hätte dieser Dämon der Neugier in mir gesagt, lass doch mal kosten, was Rosie will, und sehen, was sie daran findet. Ehrlich gesagt war es eine Art von Neid.«
»Du
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