Valentina 3 - Geheimnisvolle Verführung: Roman (German Edition)
Platz.
»Deine Mutter ist verrückt.« Russell tritt zu ihr und reicht ihr einen Becher Kaffee. »Du bist perfekt, so wie du bist. Das wollte ich damit sagen.«
Plötzlich steigt ein warmes Gefühl der Dankbarkeit in Valentina auf, sie mag Russell.
»Nun«, beginnt er, setzt sich auf einen Stuhl ihr gegenüber und beugt sich vor, um sie sanft auf die Lippen zu küssen, »das war wirklich toll.«
Sie errötet. Sie hatte noch nie etwas für derartige Gespräche nach dem Sex übrig.
»Ich sollte besser nach Hause gehen. Kannst du mir ein Taxi rufen?«
Sie erwartet, dass er sie bittet, über Nacht zu bleiben, aber er tut es nicht.
Die ganze Fahrt über zurück zu Marcos und Jakes Wohnung versucht sie, sich selbst davon zu überzeugen, dass sie nicht bei Russell geblieben wäre, selbst wenn er sie darum gebeten hätte. Doch tief in ihrem Herzen weiß sie, dass das nicht stimmt. Denn was sie am meisten vermisst, ist nicht Sex, sondern Nähe. Sie vermisst es, von ihrem Geliebten in den Armen gehalten zu werden, die ganze Nacht.
Tina
Im ersten Moment erkennt Tina Lottie nicht wieder, sie hat sich völlig verwandelt. Sie sieht aus wie eine Punkprinzessin, jede Erinnerung an Louise Brooks ist verschwunden. Ihre pechschwarzen Haare sind wild zurückgekämmt und stehen in Stacheln vom Kopf ab, die Augen sind dick mit schwarzem Kajalstift umrandet und in ihren Ohren steckt ein Halbmond aus winzigen Silberstiften. Lotties Aufmachung erinnert an eine Mischung aus Madonna und der Sängerin von Siouxie and the Banshees. Ganz schwarz, mit weiblichen Akzenten: fingerlose Spitzenhandschuhe, die bis zu ihren Ellenbogen hinaufreichen, hautenge zerrissene Jeans, schwarze Doc-Martens-Stiefel und eine Art schwarzes Mieder, das sie über einem zerrissenen schwarzen Top trägt. Tina findet ihre Kleidung schrecklich, vor allem die klobigen Stiefel. Das Mädchen sieht billig aus und widerspricht völlig ihren eigenen Modevorstellungen. Neben Lottie kommt sich Tina altmodisch vor in ihrer klassischen Aufmachung: kleines Schwarzes, Bolerojacke und hochhackige Stiefel.
Tina ist sich bewusst, dass Lottie deutlich jünger ist. Ihr Körper mag noch immer jugendlich sein, aber was ist mit ihrem Gesicht? Ist sie von dem ganzen Abnehmen schon hager? Sieht man ihr das Alter an? Die fünfunddreißig Jahre? Sie hofft, nicht.
»Du bist spät dran«, stellt das deutsche Mädchen vorwurfsvoll fest.
»Nicht wirklich«, antwortet Tina mit einem Blick auf die Uhr, sechs Minuten nach elf.
»Meine Cousine wartet in ihrer Wohnung auf uns. Sie hat nur eine kurze Arbeitspause, deshalb müssen wir pünktlich sein. Sie möchte dich wirklich gern kennenlernen. Sie macht bei der Arbeit in einem Foto-Club mit.«
»Was macht sie?«, fragt Tina.
»Einen von diesen Verwaltungsjobs«, antwortet Lottie schulterzuckend. »Ich glaube, sie ist in der Poststelle. Sie spricht nie darüber.«
Am Bahnhof Friedrichstraße reihen sie sich in die Schlange vor dem Grenzposten ein.
»Wir nennen das Tränenpalast«, erklärt Lottie. »Wegen der Züge ist das der Übergang, der am meisten benutzt wird. Hier haben sich schon viele traurige Szenen abgespielt.«
Sobald Tina die Grenzbeamten sieht, beschleunigt sich ihr Herzschlag. Männer mit Waffen bereiten ihr schnell ein mulmiges Gefühl. Vermutlich hat sie das von ihrem Vater übernommen, der Waffen und jegliche Form von Gewalt gehasst hatte.
Es ist schwer zu glauben, dass ihre Eltern schon fast zehn Jahre tot sind. Manchmal ertappt Tina sich dabei, dass sie unbewusst den sonntäglichen Anruf ihrer Mutter erwartet. Tina hat sie immer damit aufgezogen und es ihren Kontrollanruf genannt. Es waren immer dieselben Fragen. Hatte Tina genug Essen für Phil und das Baby besorgt? Was würde sie kochen? War Mattia geimpft worden? Was las sie ihm am Abend als Gutenachtgeschichte vor? Nie erkundigte sie sich nach Tinas Arbeit. Ihre Mutter war besessen von Mattia. Fast das Schlimmste an dem Tod ihrer Eltern war, dass sie nun nicht mehr miterlebten, wie Mattia heranwuchs. Und Tina musste auf die Unterstützung ihrer Mutter verzichten. Maria Rosselli hätte es allerdings ganz gewiss nicht geschätzt, dass sie sich herumtrieb, anstatt sich zu Hause um ihre Familie zu kümmern. Sie wäre enttäuscht, dass Phil und sie nie geheiratet hatten. Aber Tina glaubte, dass sie nur eine gute Mutter sein konnte, wenn sie eine glückliche Mutter war. Und um glücklich zu sein, brauchte sie ihre Freiheit und ihre Karriere. Phil verstand das. Es war
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