Valentina 3 - Geheimnisvolle Verführung: Roman (German Edition)
Valentina ebenso sehr liebe wie dich oder Mattia, habe ich recht?«
Er wirft ihr einen angewiderten Blick zu und steht auf. Sie kann sehen, dass er wütend ist, aber er sagt nichts, sondern stürmt nur aus dem Zimmer.
Sie hatte nicht vor, etwas so Verletzendes zu sagen oder die Tatsache zur Sprache zu bringen, dass Valentina nicht sein Kind ist. Die Worte waren ihr einfach so herausgerutscht. Die Wahrheit ist, sie hat Angst davor, wieder arbeiten zu gehen und sich der realen Welt zu stellen. Hier drinnen ist es sicherer, mit Valentina, diesem Bündelchen, das nur ihr gehört, das sie braucht.
Als Tina am nächsten Morgen in den Spiegel blickt, sieht sie sich mit Phils Augen, und sie ist entsetzt. Er hat recht. Sie muss sich mehr Mühe geben. Sie beschließt, sich und Valentina für den Tag hübsch zurechtzumachen. Sie werden Phil in der Universität überraschen. Sie werden zum Mittagessen in eines ihrer Lieblingsrestaurants gehen. Sie stellt sich vor, wie zufrieden er mit ihr sein wird. Sie wird sich zwingen, etwas zu essen, und sie wird sich entschuldigen. Er hat recht. Sie vermisst ihn, und sie will ihn wieder in ihrem Bett haben. Heute Nacht, schwört sie sich, wird Valentina in ihrem Bettchen schlafen, und sie und Phil werden sich lieben. Sie will endlich wieder seine Arme um sich spüren. Wie können zwei Menschen ein halbes Jahr lang zusammenleben und sich wie Fremde fühlen, wenn sie sich früher einmal so nahestanden?
Tina zieht eines von Phils Lieblingskleidern an, ein rotes Jerseykleid, das früher einmal eng anliegend war, ihr jetzt aber zu ihrem Entsetzen viel zu groß ist, sodass sie wie eine Vogelscheuche darin aussieht. Sie zieht es wieder aus, fühlt sich schon jetzt hundeelend, und schlüpft in eine schwarze Hose und ihre kleinste Bluse, die trotzdem schlaff an ihr herunterhängt. Ihr Gesicht besteht nur aus dunklen Schatten und bleicher Haut. Sie tut ihr Bestes, um ihre Müdigkeit zu übertünchen und ihrem Gesicht mehr Farbe zu verleihen, aber mit dem Rouge hat sie nur das Gefühl, wie eine angemalte Puppe auszusehen. Selbst ihr Haar, einst ihr krönender Stolz, ist stumpf und widerspenstig. Es braucht einen Schnitt und eine intensive Kur. Bedrückt erkennt sie, dass sie sich in den letzten sechs Monaten völlig vernachlässigt hat. Zum Ausgleich putzt sie Valentina besonders hübsch heraus. Sie zieht ihrem kleinen Töchterchen ein zitronengelbes Kleid mit weißer Spitzenborte, winzige weiße Söckchen und gelbe Schuhe an, dazu ein weißes Mützchen und eine gelbe Schleife auf dem Kopf.
Sie ist aufgeregt, als sie die Straße hinunterschlendert, Valentina im Kinderwagen unter Decken eingemummelt. Es ist ein warmer Tag für November, die Sonne dringt zwischen goldenen Blättern hindurch und eine frische Brise streift Tinas Wangen. Mailand scheint von Sonnenschein erfüllt zu sein, und die Leute lächeln und grüßen einander. Sie ist froh, wieder im Freien zu sein. Sie kann es kaum erwarten, Phils Freude zu sehen, wenn sie ihn überraschen.
Als sie das Universitätsgebäude schließlich erreicht, ist sie etwas später dran, als sie erwartet hatte. Sie hofft, dass er nicht schon zum Mittagessen gegangen ist. Sie biegt um die Ecke, wirft einen Blick auf ihre Armbanduhr, doch da sieht sie ihn bereits aus dem Gebäude der geisteswissenschaftlichen Fakultät treten. Er bemerkt sie nicht. Sie will eben schon nach ihm rufen, aber in dem Augenblick, in dem sie den Arm hebt, sieht sie, dass er nicht allein ist. Eine kurvenreiche junge Frau mit langen blonden Haaren geht neben ihm her, einen Stapel mit Büchern unter ihrem Arm. Vermutlich ist sie eine Studentin, versucht sich Tina einzureden, doch die Art, wie sich das Mädchen neben Phil bewegt – streift sie wirklich mit einer Hand seinen Arm, oder bildet Tina es sich nur ein? –, lässt sie etwas anderes vermuten. Sie zieht den Kinderwagen zurück und versteckt sich hinter einer Ecke, späht dahinter hervor, um den beiden nachzusehen, während sie sich zum anderen Ausgang der Universität und auf die Straße hinaus entfernen. Sie folgt ihnen langsam, in großem Abstand, denn sie weiß nicht, wie sie sich Phil gegenüber erklären würde, wenn er sich umdrehen und sie sehen sollte. Sie kommt sich albern und idiotisch vor, wie eine erbärmliche eifersüchtige Ehefrau.
An der Ecke bleiben Phil und das blonde Mädchen stehen, um die Straße zu überqueren. Tina beobachtet mit Argusaugen, wie sich das Mädchen umwendet und etwas zu Phil sagt, und sie
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