Valentine
sorgfältig manikürten Fingernägel. Ein Blick zu Frédéric genügte Valentine. Das Verhalten des Spaniers missfiel ihm.
»Fängst du an?«, fragte er sie.
»Gern«, erwiderte Valentine und begann , von ihrer letzten Entdeckung zu erzählen.
Am liebsten hätte sie auch das Missgeschick der verschwundenen Textzeilen erwähnt, das auf Emanueles Konto zu verbuchen war, verkniff es sich jedoch. Was sollte das schon bringen, außer Streit und schlechter Stimmung. Beides war ihrer Arbeit nicht förderlich.
»Leider war der Inhalt wenig ergiebig, die Empfehlung zur Suche nach den Rettern ist sehr allgemein gehalten:
Nicht der, der sich wichtig macht,
Nicht der, der sich kleinmacht,
Sucht von jedem Geschlecht und jeder Art.
Jung und A lt, Weib und Mann,
Ein jeder kann geeignet sein«, zitierte Valentine einige der von ihr übersetzten Zeilen.
»Nun ja, so ungenau finde ich diese Aussage gar nicht«, meinte Olivier dazu. »Das heißt doch, dass wir nicht nach Leuten mit besonderen Fähigkeiten suchen müssen, nicht nach irgendwelchen Überfliegern und Superhelden, sondern dass uns prinzipiell jeder helfen kann, solange wir verschiedene Wesen finden, die sich ganz einfach über ihre Herkunft ergänzen.«
Emanueles Mund verzog sich zu einem spöttischen Grinsen. »Dann nehmen wir doch gleich die N ächstbesten, die uns über den Weg laufen, und bringen sie zusammen. Hoffentlich wissen die dann auch, was zu tun ist.«
Alle sahen ihn an, mit mehr oder weniger grimmigen Mienen. Nur Frédérics er hobene Hand verhinderte, dass Proteste laut wurden.
»Im Prinzip hätten wir sogar schon die Hälfte der Mannschaft zusammen. Vampir – Elfe – Mensch. So wollt Ihr es doch haben, oder?« , fuhr Emanuele höhnisch fort.
»Statt sich nächtelang herumzutreiben und unqualifiziert daherzureden, wäre es schön, dass Sie auch ein mal etwas Produktives beizutragen hätten , Monsieur del Castello« , entgegnete Frédéric in schneidendem Ton.
Emanuele strich sich gelassen nach links und rechts über sein Bärtchen und kam näher. »Wie kommt Ihr nur darauf, Euer Gnaden, ich würde meinem Auftrag nicht gerecht werden, nur weil meine Methoden nicht Euren Gepflogenheiten entsprechen und ich nicht unbedingt die Meinung Euer Gnaden teile ?«
Valentine zuckte innerlich ob seine r Ausdrucksweise zusammen. Es war ihr schon mehrfach aufgefallen, dass er als E inziger — abgesehen vom Hüter und ihren Bediensteten — die alte Sprache bevorzugte und sich dabei formvollendet ausdrückte. Sie fühlte sich jedes M al in eine längst vergangene Zeit zurückversetzt, wozu auch seine Art , sich zu kleiden , beitrug. Ein wenig antiquiert, aber durchaus elegant, ähnlich der Kleidung früherer Zeiten und dennoch modern genug , ein interessanter und geschmackvoller Mix . Dazu Accessoires aus mehreren Jahrhunderten.
Emanueles Stimme brachte sie zurück in die Wirklichkeit. »Meine Kontakte zu diversen schönen Señoritas haben mir Zugang zu arabischen Schriften aus der Zeit der Mauren in Spanien verschafft. Manchmal kommt man mit Charme schneller ans Ziel als mit dem Schwert. «
Worauf spielte er an? Auf Frédérics Vergangenheit als Krieger? Dabei hatte er schon zu jener Zeit im Dienste der Vampirgesellschaft gestanden und vor allem Unreine gejagt, eine ebenfalls ehrenvolle Aufgabe. Diese verbrecherischen, ausgestoßenen Vampire waren bis heute eine einzige Plage.
Aus der Innentasche seiner flaschengrünen Samtjacke fischte Emanuele ein mehrfach geknicktes Papier und faltete es auseinander. Wie feingliedrig seine Hände waren, wie nobel seine Bewegungen. Bestimmt hatte er nie eine andere Waffe als allenfalls einen Degen geführt. Diverse wertvolle Ringe mit funkelnden Edels teinen zierten seine gepflegten Hände, jedes Stück gewiss ein exquisites Unikat.
Emanuele sah Frédéric herausfordernd an. »Was halten Euer Gnaden davon:
Er ist nicht der, als der er sich ausgibt,
seine Bestimmung ist nicht das, was er tut,
er wird selbst erkennen, wozu er berufen ist.«
Valentine verkniff sich ein zynisches Grinsen. Er zitierte es so, als ob der Text direkt auf ihn gemünzt sei. Er ist nicht der, als der er sich ausgibt. Wer sollte Emanuele del Castello sonst sein, als ein eingebildeter Casanova? Er war mit seinem umfangreichen Wissen vielleicht ein Sucher, aber gewiss kein edler und selbstloser Retter.
»Hm. Woher haben Sie diese Information?« Frédéric klang so, als zweifle auch er an der Echtheit dieser Zeilen.
Emanuele zuckte
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