Valentine
und seine Miene wurde freundlicher. »Hör zu, ich weiß, es ist schwer, und der Spruch, dass das Leben weitergeht, wird dir auch nicht weiterhelfen. Aber vielleicht habe ich etwas für dich, was dir Hoffnung gibt.«
»Was soll das sein? Valentines Adresse, die sie mir bislang nicht verraten wollte?«, fragte er einer Eingebung folgend.
Ryad setzte sich in den Sessel, der Geoffreys Stammplatz gewesen war , und streckte die langen Beine aus. »Ja und n ein. Ich kann dir nicht versprechen, dass sie dich empfängt. Aber ich habe mit ihrem Bruder telefoniert und ihm …«
»Moment!« Maurice war plötzlich hellwach und zu aufgeregt, um sich ebenfalls hinzusetzen. Ryads Worte wühlten das Blut in seinen Adern auf. »Woher kennst du diesen Vampir?«
»Ist eine lange Geschichte, nicht so w…«
»Ich will sie hören!« Es war ihm ein inneres Bedürfnis zu verstehen, warum Ryad im Domarchiv nicht eingegriffen hatte. Spielte er ein doppeltes Spiel und agierte auf beiden Seiten?
Ryad zuckte gleichgültig mit den Schultern. »Okay, von mir aus. Frédéric de Bonville hat mir mal das Leben gerettet. Seither spielen wir uns gegenseitig Informationen zu. Ich vertraue ihm , und er vertraut mir. Genügt dir das?«
Maurice brummte zustimmend. Das war nicht viel, aber besser als nichts.
»Also, der Duc möchte dich treffen.«
»Warum?«
»Frag nicht so blöd. Er fühlt sich für seine Schwester verantwortlich. Wenn er dich sympathisch findet, legt er vielleicht ein gutes Wort für dich ein.« Der Spott, den Ryad in seine Antwort legte, erzürnte Maurice. E he er dazu kam, etwas zu entgegnen, winkte der Vampirjäger ab. »Schluck’s runter, Junge. Dir dürfte klar sein, dass die Verbindung mit einer Vampirin nur Probleme aufwirft. Aber du bist ja alt genug, um selbst zu entscheiden.«
»Und Valentine nicht, oder wie? Warum mischt ihr Bruder sich ein?«
»Andere Sitten. Eine Gesellschaft voller Machos. Akzeptier’s oder lass es bleiben. Ihr trefft euch heute um Mitternacht vorm Domportal.«
Maurice atmete tief durch. Wahrscheinlich war dieser Frédéric auch so ein Kleiderschrank von Vampir, düster und brutal wie der, dessen Folterung er mit angesehen hatte. Was erwartete der Duc von ihm? Würde er ihm sagen, er solle sich seine Schwester aus dem Kopf schlagen, aus denselben Gründen, aus denen Valentine nichts mehr von ihm wissen wollte? Es gab keinen Grund, warum er sich bei Valentine für ihn verwenden sollte.
»Wir haben noch etwas anderes zu besprechen. Im Präsidium hat man mir meine Geschichte vom Hinterhalt geglaubt. Es wird keine Obduktion geben. Die Projektile habe ich entfernt. Du musst lediglich eine Grabstelle kaufen und dich um die Beerdigung kümmern.«
Klar, das machte er fast jeden Tag. Kein Problem für ihn.
»Wenn du willst, komme ich mit«, bot Ryad an.
»Danke, ich schaff das schon«, erwiderte Maurice grimmiger, als er wollte. Von der Gesellschaft der Vampirjäger hatte er im Augenblick die Nase voll.
Ryad legte einen Umschlag auf den Couchtisch, den er aus seiner Jacke holte. »Totenschein«, erklärte er knapp.
Maurice nickte verstehend.
»Gibt es Verwandte oder Freunde, die von Geoffreys Tod benachrichtigt werden sollten?«
»Freunde?« Maurice lachte gequält auf. »Nein, es gibt niemanden, der zu seiner Beerdigung kommen würde. Uns hat nie jemand besucht oder angerufen. Ich weiß nicht einmal, ob es Verwandtschaft gibt.« Gepresst fügte er hinzu: »Außer meine Mutter. Aber um ihr zu erzählen, dass ich ein Vatermörder bin, muss ich sie erst mal finden.«
Ryad schaute ihn merkwürdig an, schien etwas sagen zu wollen, als wisse er etwas über Chantals Verbleib, schwieg jedoch und stand auf, um zu gehen. An der Tür drehte er sich noch mal um. »Du solltest dir keine Vorwürfe machen und vor allem die Wahrheit für dich behalten. Geoffrey hatte es nicht anders verdient. Niemand weiß das besser als ich.«
* * *
Die darauf folgenden Stunden waren anstrengend. Maurice rief bei verschiedenen Bestattungsunternehmen an, ehe er zu einem fuhr, um alles in die Wege zu leiten. Er beherzigte Ryads Rat und entschied sich für ein schlichtes Urnengrab. Keine Leiche, keine spätere Exhumierung, keine Spurensuche. Nichts sollte von Geoffrey Boux übrig bleiben als ein Name, eine Erinnerung.
Eine Reihe von Papieren war zu unterschreiben, damit der Bestatter sich um Geoffreys Leichnam und die Einäscherung kümmern konnte. Auf das Bestellen eines Grabsteins verzichtete Maurice. Seine
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