Valentine
Valentine grinste amüsiert. Ihr Bruder war auf diesen Elf eifersüchtig? Der stellte nun wirklich keine Konkurrenz für ihn dar.
Der Elf, der für kurze Zeit Aliénors Bräutigam gewesen war, überragte sie kaum. Eine üppige blonde Lockenpracht stand von seinem Kopf ab. Irgendwie passte ihm die Kleidung nicht richtig, in die sie ihn zur Tarnung seiner wahren Identität gesteckt hatten. Die Jeans war zu lang und umgekrempelt, Jacke und Pullover waren zu weit.
Alles in allem gaben sie eine ziemlich skurrile Gesellschaft ab. Wobei das in einer modernen Großstadt wie Köln vermutlich kaum Aufsehen erregte. Zumindest weniger, als direkt vorm Dom zu parken. Frédéric hatte dies allen Ernstes kurz in Erwägung gezogen. Aber sie mussten ja nicht um jeden Preis auffallen.
»Seid I hr bereit?«, fragte Emanuele mit Blick in die Runde. Alle erwiderten ein lautes, beinahe feierliches Ja – alle außer Maurice. Emanuele bedachte ihn mit fragendem Blick, hakte jedoch nicht nach, als Frédéric ihm einen Wink gab, es zu lassen. Ohne weitere Erklärungen übernahm der Spanier die Führung Richtung Hauptportal . Mit magischer Kraft öffnete er die Tür und hieß alle an sich vorbeigehen, ehe er sie wieder schloss.
Absolut sicher bejahte Valentine nicht, dass dieser Tag tatsächlich der Schlüsseltag sein würde, obgleich manches dafür sprach. Es stellte sich die Frage, ob etwas Schlimmeres geschehen konnte, falls sie sich geirrt hatten und trotzdem versuchten, die negativen Strömungen zu bekämpfen. Bedachte man die fortschreitende Bedrohung durch immer extremere Erdbeben und Unwetter, gab es wohl keine andere Antwort, als es zu versuchen.
Leise und schnell begaben sie sich beim Licht einiger Taschenlampen hinab in die geheime Krypta. Je näher sie kamen, desto schlechter wurde die Luft. Maurice folgte als L etzter, mit undurchdringlichem Gesichtsausdruck. Zu gern hätte Valentine in seinen Kopf hineingesehen und gewusst, wie er sich im entscheidenden Augenblick verhalten würde. Jegliche ihrer Annäherungs- und Gesprächsversuche waren im Sande verlaufen. Maurice hatte sich in sein Schneckenhaus zurückgezogen , und nur er allein würde entscheiden, wann er dort wieder herauskam.
Fröstelnd zog Valentine die Jacke zu. Kam es ihr nur so vor, oder war es hier unten in der Kammer eiskalt, viel kälter als beim letzten Mal? Alle zögerten , ihre Jacken oder Mäntel abzulegen , und holten lediglich ihre Kristalle hervor. Maurice nahm seinen schweigend von Emanuele entgegen, den dieser für den Transport sorgfältig in ein weiches Tuch eingeschlagen hatte. Sofort reagierte der Kristall und begann zu leuchten. Hoffentlich würde dieses Signal Maurice überzeugen.
Magdalena und Tiziana stellten auf den Stufen der fünf Treppenaufgänge Kerzen und duftende Teelichter auf, die den modrigen Geruch tilgen sollten. Alle knipsten die Taschenlampen aus.
Dann reichte Frédéric seiner Elfe galant die Hand, um ihr auf den Altarstein hinaufzuhelfen , und sie kniete sich nieder, neigte sich ihm entgegen und gab ihm einen Kuss. »Ich liebe dich, vergiss das niemals, egal , was geschieht«, murmelte sie.
»Für immer und ewig dein«, erwiderte er mit fester Stimme und zog sich an einen der fünf Treppenaufgänge zurück.
Zu gerne hätte Valentine ein solches Liebesbekenntnis auch mit Maurice getauscht, schließlich wusste keiner von ihnen, ob sie überleben würden. Vielleicht stürzte alles in den nächsten Sekunden über ihnen ein. Beklommen griff sie nach seiner Hand und hielt sie so fest, dass er sich schon vehement wehren müsste, um sie loszuwerden. Aber er unternahm nichts dergleichen. Im Gegenteil, er erwiderte ihren Druck mit ähnlicher Intensität, stieß einen tiefen Seufzer aus und hauchte ihr mit traurigem Blick einen Kuss auf die Lippen. Sie folgerte daraus, dass er die allgemeine Entscheidung , jetzt und hier zu handeln , endlich akzeptierte.
»Bist du dir sicher, dass dies der richtige Tag ist?«, wollte er wissen.
Allen sprach dieselbe Frage aus ihren Augen. Sie schauten zu ihr , und Frédéric nickte ihr zu, dass sie antworten sollte.
»Es gab immer mal ein paar schwammige Hinweise. Meistens war die Rede vom Pentagramm und einer Inschrift. In einer der letzten Pergamentrollen, die Olivier mir gegeben hat, war die Rede von einem Höllentor, das mittels eines Pentagramms geschlossen wurde. Und darüber hatte man zum Schutz ein mächtiges, mystisches Gebäude errichtet. Es gab keine direkte Nennung des Kölner Doms,
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