Valentine
holen.
Frédéric sammelte sich als E rster und entfachte die Kerzen aufs Neue. Nach dem zuvor blendend grellen Licht wirkte ihr Schein geradezu erbärmlich. Mit einem Satz war er am Altar und fing seine Elfe auf, als sie rückwärts herabstürzte. Kraftlos lehnte ihr Kopf an seiner Schulter, als er sie auf seine Arme hob.
»Aliénor«, flüsterte er angstvoll.
»Ich bin bei dir«, hauchte sie.
Ein Schluchzen entrang sich seiner Kehle , und er drückte sie erleichtert an sich.
Die anderen hielten sich benommen am Altar fest, nur Maurice verdrehte auf einmal die Augen und brach kraftlos in sich zusammen.
»Maurice!«
Valentine war im Bruchteil eines Wimpernschlages bei ihm, so dass es ihr gelang, seinen Sturz abzufangen und ihn sanft auf den Boden gleiten zu lassen. Sie kniete sich neben ihn auf den Boden. Seine Augen waren geschlossen, die Lider zitterten, sein Mund war leicht geöffnet, das Gesicht totenblass.
Nein, hämmerte es in ihrem Kopf. Nein.
Sofort waren die anderen zur Stelle. Emanuele tastete nach dem Puls, sah Valentine besorgt an und schüttelte den Kopf.
Verzweifelt beugte sie sich über sein Gesicht. »Maurice, verlass mich nicht!«
Sein Gesicht wurde blasser, seine Lippen färbten sich bläulich , und dann setzte das schwache Heben und Senken seiner Brust vollkommen aus.
Nein, dachte Valentine panisch. Maurice, du darfst nicht sterben, jetzt, wo der Weltuntergang vielleicht abgewendet ist. Ich will nicht ohne dich sein.
Tränen füllten ihre Augen , und sie unterdrückte ein Schluchzen. Was konnte sie tun?
Nichts.
Dem Tod war keine Grenze gesetzt. Er stand über allem.
Kapitel 32
Licht näherte sich von einer der Treppen.
»Euer Gnaden«, murmelte Emanuele ehrfürchtig und trat mit einer Verbeugung zur Seite.
Mit Tränen in den Augen versuchte Valentine , dem Licht entgegenzusehen. Es war tatsächlich der Hüter. W ie und warum der Heilige von diesem Licht umhüllt war und wie er Einfluss auf den Grad der Helligkeit nahm , war seit ewigen Zeiten ein Mysterium . Auf jeden Fall war es ratsam, die Augen erst völlig zu öffnen, wenn es erlosch. Denn das Licht war so hell, dass es bis tief in den Kopf hinein schmerzte, wenn man hineins chaute . Wobei es ihr eigentlich egal war, von welchem Schmerz sie gequält wurde. Ihr neues Leben mit Maurice war vorbei, kaum dass es begonnen hatte.
Der grelle Schein nahm auf ein erträgliches Maß ab. Bestimmt war der Hüter zufrieden mit seinen Suchern und den Rettern, dass sie die Welt vor dem Untergang bewahrt hatten. Welches Opfer dafür gebracht werden musste, würde ihn kaum interessieren. Tränen strömten unablässig über ihre Wangen. Hatte sie nicht schon genug gelitten in all den vergangenen Jahrhunderten, dass ihr dieses kleine Glück nicht vergönnt war? Waren die dämonischen Kräfte zu stark für sein menschliches Herz gewesen?
Der Hüter würde kein Wort des Trostes für sie erübrigen , und sie wollte auch nichts dergleichen hören. Es gab keinen Trost für sie. Ihr Leben versank von Neuem in Dunkelheit und Verzweiflung. Noch nie hatte sie ihren eigenen Tod so sehr herbeigesehnt.
Sie sog die Tränen hoch, während ihr Blick auf die Tunika und die Hosenbeine aus weichem weiße n Stoff geheftet war. In sein er Schlichtheit ähnelte die Kleidung des Hüters beinahe einem Mönchsgewand, würde sie nicht von einer goldenen Schärpe gehalten, bestickt mit fremdartigen schwarzen Symbolen . D as mystische Schwert an seiner Seite zeichnete ihn zudem als Kämpfer und Magier aus.
»Hebt den Menschen auf den Altar«, befahl d er heilige Vampir mit tiefe r Stimme.
Frédéric, Emanuele und Nelrin gehorchten umgehend. Sie hoben Maurice hoch und betteten ihn auf den Stein, auf dem die Flammen inzwischen erloschen waren. Die einst reliefartige Schrift war zur Unkenntlichkeit geschmolzen und mit Asche gefüllt.
Mit einer energischen Handbewegung drängte der Hüter alle zurück. Frédéric half Valentine aufzustehen und legte seinen Arm tröstend um ihre Schulter.
Gespannt sahen sie zu, wie der Hüter sich über Maurice beugte, seine Kleidung mit einer einzigen Bewegung zerfetzte und seine Brust frei machte. Was hatte der Hüter vor?
»Liebt Ihr diesen Mann, Duchesse Valentine?«, fragte er in die Stille hinein und drehte seinen Kopf zu ihr. Es kam Valentine vor, als würden seine Augen direkt in ihrem Herzen lesen , und sie war bereit , es ihm zu öffnen. Sie hatte nichts zu verbergen.
»Mehr als mein Leben, Euer Gnaden«, erwiderte
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