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Valerias letztes Gefecht: Roman (German Edition)

Valerias letztes Gefecht: Roman (German Edition)

Titel: Valerias letztes Gefecht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Fitten
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zu Gast war, hatte er Magda und ihren Eltern versprochen, sie durch seine neue Werkstatt zu führen. Er war stolz auf seine Werkstatt, die erste, die er hatte. Seine Gesellenzeit hatte er in einer anderen Stadt verbracht, bis ihn sein Mentor freigab und die Zunft ihn anerkannte, die damals noch einigen Einfluss ausübte. Er übernahm die Verantwortung für seine Werkstatt, die seinen Namen führte und den Segen aller hatte. Die Partei war damit einverstanden und begrüßte diesen Schritt sogar. Schließlich arbeitete er mit seinen Händen, war also ein echter Proletarier, einer, der zur breiten Masse gehörte. Zufrieden und hart arbeitend. Zufrieden mit harter Arbeit.
    Er war sehr männlich, solide gebaut und gut aussehend. Er hatte lange Wimpern und kastanienbraunes Haar, das wie die Abendsonne schimmerte. Er war gesund und kräftig und hatte rote Wangen. Außerdem war er ein guter Sportler, so etwas wie ein Fachmann auf dem Spielfeld, ein geborener Mittelfeldspieler, der wusste, wie man ein Fußballspiel in Schwung hielt und wie man die eigene Mannschaft lenkte. Alles in allem war er eine gute Partie: sensibel, künstlerisch veranlagt, mit verträumten Augen, athletisch, mit eigenem Geschäft und einer vielversprechenden Zukunft.
    Auf den ersten Blick hätte man ihn leicht für einen Lebemann oder Gelegenheitsarbeiter halten können, aber derSchein trog. Der junge Töpfer war ein grundanständiger junger Mann. Zwar war er nicht religiös, aber er hatte gute Manieren und war immer freundlich. Der Typus junger Mann, der den Hut vor älteren Frauen zog, Leuten, denen er vorgestellt wurde, kräftig die Hand drückte und unbestreitbar über jeden Tadel erhaben blieb. Er war kein Schürzenjäger. Einmal hatte er einer jungen Dame in seiner Heimatstadt den Hof gemacht und wollte sie heiraten, aber sie brannte mit einem russischen Artilleriekommandeur durch und zog in den Osten.
    Als er seine zukünftige Frau kennenlernte, sprachen beide fast gar nicht miteinander, sondern scherzten nur ein wenig. Vielleicht nahm er ihre Hand in seine. Sie konnten sich beide nicht mehr genau erinnern, was sie gesagt hatten, als sie sich zum ersten Mal begegneten. Wenn man ihn dazu drängte, zuckte er die Achseln und sagte, er habe sie kaum wahrgenommen. Zweifellos hatte er nicht wahrgenommen, was im Inneren der zierlichen jungen Frau vor sich ging. Als er sie zum ersten Mal besuchte, passierte nicht viel zwischen ihnen, aber der Sommer hatte ja auch gerade erst begonnen. Bei seinem zweiten oder vielleicht auch dritten Besuch regte sich allmählich etwas im Töpfer. Er verliebte sich langsam. Wie sich zeigen sollte, war die Saison dafür lang genug.
    Als Schatten und Gegenstände im Spätsommer am Horizont flimmerten, eingeschlossen zwischen der glühenden Hitze in der Luft und am Boden, besuchte die Familie des Mädchens ihren neuen Freund ein letztes Mal in seiner Werkstatt, um etwas Größeres von ihm zu kaufen, wie sie es schon seit geraumer Zeit versprochen hatte.
Ein so charmanter junger Mann, wisst ihr. Diese unwiderstehlichen Augen!
Seine zukünftige Schwiegermutter hatte diese Worte mit einem vielsagenden Augenzwinkern zu ihrer Tochter gesagt.
Und was für wunderschöne Haut! Bei einem Mann!
    Die Familie erwarb ein Gefäß für Wein, das mit einem Bild vom Leben auf dem Lande verziert war: eines dieser romantischen Landschaftsbilder mit zwei Männern zu Pferde, die in wallenden Roben und Dreispitz hocherhobenen Hauptes in den Steigbügeln standen und einem entlaufenen Fohlen hinterherjagten. Der Töpfer hatte es mit einem Borstenpinsel selbst gemalt, denn schließlich war er schon seit jeher Künstler.
    Diesmal jedoch, als niemand guckte, trieb das junge Mädchen den Töpfer in die Enge und klapperte wie wild mit den Augen. Ihre Familie war ganz von dem Bild auf dem Weingefäß in Anspruch genommen und merkte nichts. Das Mädchen hatte so etwas noch nie gemacht und auch der Töpfer hatte so etwas noch nie erlebt. Ihre Wimpern flatterten ihn an, wie Nachtfalterflügel in einem Spinnennetz. Schnell und übermütig zogen sie ihn an. Er war nervös, ließ es sich aber nicht anmerken. Er streckte die Hand aus und berührte ihr fedriges feines Haar, das sie damals kurz trug. Alles an ihr war zart. Er ließ die Finger über ihre Kinnpartie gleiten, dann sauste er an der strahlenden jungen Frau mit den zuckenden Augenlidern vorbei, wobei er sie fast in einen Stapel Teetassen gestoßen hätte. Nach Fassung ringend griff er nach dem

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