Valerias letztes Gefecht: Roman (German Edition)
ging es jahrelang, bis eines Tages das Wunder geschah und etwas bei Magda, die schon Anfang vierzig war, anschlug. Was sie zusammen getan hatten, schlug Wurzeln, erwachte zum Leben. Sie brauchte nur zu atmen und spürte, wie etwas in ihr Gestalt annahm. Wo es herkam, konnte sie nicht sagen, doch sie spürte es im Bauch. Auch der Töpfer spürte es im Bauch. Eine feste Absicht und Glück. Vielleicht waren es auch nur die vielen Jahre der Hoffnung und des Wünschens. Endlich würden sie den Hö hepunkt ihres Lebens in Gestalt eines Kindes erlangen. Zum ersten Mal seit der Hochzeit waren sie nun beide in guter Hoffnung auf die Zukunft. Dabei bedachten sie nie, dass dieser Embryo auch beschädigt sein könnte. Das Ei eines Huhns war lebensfähiger als das, was in Magdas Bauch wuchs. Das zerzauste Ei in ihrer Gebärmutter konnte unter gar keinen Umständen als Frucht ihrer Liebe betrachtet werden.
Magda bekam Fieberanfälle. Sie hatte Krämpfe und frös telte . Eine Kraft war ihr unter den Rock gefahren und in sie eingedrungen. Sie beschwor ihn, an ihrer Seite zu bleiben. Eine Hand aus dem Jenseits schüttelte ihre Eingeweide, ihr Baby, ihre Hoffnung, und zerquetschte sie. Ihre Eingeweide waren von Anfang an faulig und wurden jetzt wie eine überreife Pflaume bis auf den Kern zerdrückt. Staub zu Staub, und nie würden sie ein Baby seufzen, weinen oder um Hilfe schreien hören.
Alte Krankenschwestern kamen zu ihr nach Hause und untersuchten sie. Wenn sie wieder aus dem Schlafzimmerkamen, wo Magda mit einem kühlen Lappen auf der Stirn im Bett lag, sahen sie den Töpfer an und schüttelten die Köpfe. Er wurde nicht schlau aus alledem. Wie die meisten Männer seiner Zeit blieben ihm Frauen ein Rätsel und er formte lieber Rasseln aus Ton und Mobiles. Außerdem pflegte er sie, so gut er konnte. Er brachte ihr Kamillentee und zwang sie, Tonika zu schlucken. Er vergoss keine Trä ne . Der Töpfer gehörte nicht zu den Männern, die weinten.
Im sechsten Monat fing sie schließlich an zu schreien. Der Töpfer schlief in der Werkstatt, damit sie genug Platz hatte, um sich zu winden und zu krümmen. Als er sie schreien hörte, rannte er zu ihr ans Bett, doch kaum war er im Zimmer, fiel er auf die Knie. Er schnappte nicht nach Luft und schrie nicht, aber der Anblick, der sich ihm bot, zwang ihn in die Knie. Magda lag in einer Blutlache auf dem Bett, die Tagesdecke war beiseitegeworfen, und zwischen ihren Beinen lag eine missgebildete Gestalt, ein erschreckender Homunkulus in einem Membransack, der wie rohe Leber gefärbt war. Etwas Totes. Und seine bezaubernde, dunkelhaarige Magda war ebenfalls tot. Sie hatte die Augen geöff net , ihr Herz schlug noch, aber sie war trotzdem tot und kehrte nie wieder zu ihm zurück.
***
Erwähnt werden muss, dass dem Töpfer fortan von Gardenien schlecht wurde. Er ertrug weder ihren Anblick noch ihren Geruch. Die Gardeniensträucher vor dem Haus hackte er alle ab. Die zu Boden fallenden Blätter zertrampelte er und verscharrte sie. Den Gardenien gegenüber legte er also wahre Leidenschaft an den Tag – leidenschaftliche Verachtung.
VIII
D er Töpfer hatte Valeria die Hand auf die Schulter gelegt. Das Benehmen der Dorfbewohner hatte ihn erschüttert, aber er ließ sich nichts anmerken. Niemand war mehr auf der Straße. Nur ein paar alte Klapperkisten parkten dort und ein Straßenköter beobachtete sie aus sicherer Entfernung. Der Töpfer sah den Hund an und hob die Hand. Das Tier rannte davon.
Valeria stand auf, fasste sich ans Haar und sah sich suchend nach ihrem Kopftuch um. Sie nahm die Blumen entgegen, die er ihr mitgebracht hatte. Sie blieben noch ein Weilchen stehen, betrachteten den Krug und die Blumen und sahen sich dann in die Augen.
»Bring den Krug ins Haus«, flüsterte sie. »Wenn du willst, kannst du bei mir übernachten.«
Seit Jahrzehnten hatte kein Mann sie mehr in ihrem Häuschen besucht.
Die beiden gingen gemeinsam hinein.
»Ich habe zwei linke Hände«, sagte sie lachend und steckte die Hände in die Schürzentaschen. »Tut mir leid. Ich weiß nicht, was mit mir los ist. Möchtest du etwas zu essen? Ich hab heute Gulasch gekocht.«
Der Töpfer stellte den Krug ab und lächelte sie an. Die Anspannung hatte ihn erregt. Er sah voller Bewunderung, wie ihr Leib gegen die Kleidung ankämpfte, dass sich derStoff an den Hüftnähten verzweifelt dehnte und ihr Hauskleid nur die Hälfte ihres Oberschenkels bedeckte. Als sie auf die Dorfbewohner losgegangen war, waren
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