Valeron der Barbar
auch solche, die es nicht überstanden. Ihre Rippen stachen durch die Haut und ihre Zunge hing ihnen aus dem Mund – sie starben, weil ihre Lunge in einer solchen Haltung auf die Dauer nicht mehr genug Luft bekam.«
»Ihr Götter, mein Lord – so seht Ihr mich?« Sie täuschte es nicht vor, sie war tatsächlich erschüttert.
»Niemand ist so stolz wie die Männer – und Frauen – von Branarius, Mädchen. Du nutzt es aus, dass du eine Frau bist. Ein Mann, der diese Worte in deinem Tonfall gesprochen hätte, wäre jetzt tot – oder etwas Schlimmeres.«
Jherus Zähne gruben sich tief in die volle Unterlippe. »Schon einmal versicherte ich Euch, Lord König, Kriegslord von Branarius, dass ich Euch achte. Keineswegs war es als Beleidigung gemeint. Ich …« Sie blickte hastig zu Boden, denn ihre Stimme hatte gezittert, und das machte sie genauso verlegen, wie eine Branarierin an ihrer Stelle gewesen wäre.
Valerons Grimm schwand ein wenig. »Und deine ultrazivilisierten Carmeianer schimpfen mich einen rüden Barbaren – und hauptsächlich, weil ich offen sage, was ich denke, ohne irgend etwas vorzumachen. Du bist ebenfalls eine Barbarin, Jheru – und darüber bin ich froh.«
Unter dichten schwarzen Wimpern warf sie ihm einen langen, doch durchaus nicht koketten Blick zu. »Vielleicht«, murmelte sie, »könnte ein barbarischer Kriegslord eine Frau wie mich um sich brauchen.«
Saldon, der tat, als wäre er ungemein mit den Schiffskontrollen beschäftigt, schnaubte. Valeron nickte.
»Ja. Es wäre gar kein so dummer Gedanke, dich zur freien Frau zu machen und dich mit uns zum Branarius zu nehmen, wenn wir dorthin zurückkehren, Jheru. Du wirst ein leichtes und angenehmes Leben unter meinen Frauen haben …«
»Verzeiht, Lord König – aber wäre das nicht ebenfalls eine Art Sklaverei?« Sie schob das Kinn vor. »Wenn ich schon Hure werden soll, möchte ich auch dafür bezahlt werden!«
Lächelnd ahmte Valeron seinen Ersten Ratgeber nach und wies sie mit seinen Worten zurecht: »Hüte die Zunge, Odaliske!«
Jheru starrte ihn einen langen Moment mit großen nachtschwarzen Augen an. Dann erhob sie sich wortlos und stapfte steif mit rasselnder Rüstung aus dem Kontrollraum.
»Das habe ich davon, dass ich sie nicht als Sklavin behandelt habe«, sagte Valeron seufzend.
»Sehr unklug, mein Junge. Aber sie ist auch keine Sklavin – es steckt nicht in ihr, genauso wenig wie in Euch. Trotzdem, Sklaven haben zu dienen und einen zu unterhalten. Es tut nicht gut, sie als Gleichgestellte zu behandeln. In diesem Fall ist es noch viel schlimmer – ich fürchte, dieses Mädchen liebt Euch.«
»Eine sehr unwissenschaftliche Bemerkung von einem Älteren, Saldon. Aber – Liebe? Ihr hättet sehen sollen, wie sie dem Wächter den Dolch in den Hals stieß.«
»Jene unter uns, die heißblütig sind«, sagte Saldon in belehrendem Ton, »sind heftig sowohl im Kampf als auch in der Liebe.«
»Jetzt sprecht Ihr von mir!«
»Und von ihr. Als Euer Leben in Gefahr war, dachte sie nur an Euch und tötete, um den Tod von Euch fernzuhalten.«
Valeron nickte. Er blickte auf das Kontrollpult. »Wann kommen wir an?«
Saldon studierte die Instrumente, die er zu lesen gelernt hatte – einigermaßen, zumindest. »In etwa zwei Stunden«, antwortete er, nach einem Blick auf die Uhr, die die Alten in das Pult eingebaut hatten. »Habt Ihr noch irgendwelche letzten Anweisungen?«
»Ja, obgleich natürlich alles davon abhängt, welcher Empfang uns erwartet. Ich werde mit den Männern sprechen, ehe wir von Bord gehen. Ich möchte keinerlei Gewalttätigkeiten gegen auch nur einen Maruthier. Das werde ich meinem ›Bruder‹ Rankhnax wohl fünf- oder sechsmal klarmachen müssen, bis er versteht. Im Augenblick muss ich mir noch einiges durch den Kopf gehen lassen.«
»Nichts liegt mir ferner, als Euch dabei zu stören.«
Saldon lehnte sich zurück. Sein Blick ruhte auf dem Pult. Durch den leeren Weltraum flog das Schiff auf Maruthia zu. Der Ältere grübelte. Abrupt sprang Valeron auf. Die Plötzlichkeit verriet, dass er einen Entschluss gefasst hatte. Saldon blickte den Jüngeren fragend an.
»Um Euch die Antwort zu geben, die ich unterließ: nein, Saldon, sie war nur ein Kätzchen – und nicht einmal das Junge einer Felskatze.«
Der Ältere seufzte. Natürlich erinnerte er sich seiner Frage, die die Kaiserin betroffen hatte. Er hätte sie überhaupt nicht stellen dürfen. Aber die Antwort gefiel ihm. Vielleicht brauchten Aleysha und
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