Valhalla: Thriller (German Edition)
etlichen Jahren hatten sich ihre Wege einmal gekreuzt. Moreau war für einen kurzen Zeitraum Gastdozent für das Fach Ur- und Frühgeschichte an der Universität Hamburg gewesen, und Hannah erinnerte sich nur zu gut an seine herablassende, überhebliche Art und an ein paar unangenehme Begegnungen. Sie hätte auf das Wiedersehen gerne verzichtet und ahnte, warum Stromberg ihr diese Information vorenthalten hatte. Sie beide waren damals nicht besonders gut miteinander ausgekommen, und sie bezweifelte, dass sich daran etwas geändert hatte. Vorausgesetzt natürlich, er erinnerte sich überhaupt noch an sie.
Sie beschloss, in die Offensive zu gehen.
»Monsieur Moreau, was für eine Überraschung«, sagte sie. Sie wusste, dass er es als beleidigend empfand, wenn man ihn nicht mit seinem akademischen Titel ansprach, aber das war es ihr wert. Es kostete sie auch so schon Überwindung, ihr Lächeln aufrechtzuerhalten. »Ich hätte nicht damit gerechnet, dass wir uns mal wieder begegnen würden, und dann noch unter so spektakulären Bedingungen«, sagte sie. »Ist das nicht unglaublich? Eine Stadt unter dem Eis. Ich bin beeindruckt.«
Der Franzose hob seinen Blick von seinem Labortisch und richtete seine übermüdeten Augen auf Hannah. Sie fand, dass er in den Jahren merklich gealtert war.
»Kennen wir uns?«
»Dr. Hannah Peters von der Universität Hamburg. Ich hatte das Vergnügen, einer Ihrer Vorlesungen beiwohnen zu dürfen. Das müsste so – lassen Sie mich nachdenken – um das Jahr 1985 herum gewesen sein.«
»Peters? Peters? Ach ja, die kleine Archäologin, die uns von Stromberg aufs Auge gedrückt wurde. Stimmt, ich habe kürzlich einen flüchtigen Blick in Ihre Akte geworfen. Recht bemerkenswerte Arbeiten im Tassili n’Ajjer, wirklich, recht bemerkenswert. Ich war selbst vor etlichen Jahren dort, musste meine Forschungen dann aber wegen dringenderer Geschäfte abbrechen. Und danach waren Sie, wie ich hörte, an der Erforschung der Himmelsscheibe von Nebra beteiligt?«
»Das stimmt …«
»Kein sehr dankbares Studienobjekt, n’est-ce pas? Daran haben sich schon ganz andere die Zähne ausgebissen. Ist natürlich auch schwer, solange es ein Einzelstück bleibt.«
»Tut mir leid, Ihnen das sagen zu müssen, aber da sind Sie nicht ganz auf dem Laufenden. Es gibt Beifunde, zwei Stück. Sie wurden letzten Mai im Museum für Ur- und Frühgeschichte in Halle der Öffentlichkeit präsentiert.«
»Mag sein«, schnaubte Moreau, »aber die Tatsache bleibt bestehen, dass die Scheibe ein Einzelstück ist. Ich selbst pflege da eine sehr traditionelle Meinung: Erst wenn sich ein Fund in eine Reihe gleichartiger Funde einreihen lässt, ist seine Echtheit wirklich bewiesen. Aber das wissen Sie vermutlich selbst am besten.« Er blickte sie über den Rand seiner Brille hinweg an, als wäre sie ein Studienobjekt. »Und nun sind Sie also hier.«
»Sieht so aus, ja.«
»Und was wollen Sie hier, wenn ich fragen darf?«
»Nun, ich …«
»Sie wird sich unserem Team anschließen«, sprang Gjertsen für sie ein. »Ich glaube, ihre fachlichen Qualifikationen könnten für uns von Nutzen sein.«
Moreau zog seine Augenbrauen in die Höhe. »Das ist nicht Ihr Ernst, oder? Wir hatten das doch besprochen. Ich habe Ihnen gesagt, dass Sie sie abwimmeln sollen.«
Gjertsen straffte die Schultern. »Es ist der ausdrückliche Wunsch unseres Geldgebers, und er wird seine Gründe dafür haben. Ich glaube nicht, dass es uns zusteht, seine Maßnahmen in Frage zu stellen.«
»Schon, aber …«
Gjertsen hob die Hand. »Ich bin auch nicht glücklich mit der Situation, aber im Moment kann ich nichts machen. Ich werde Mister Stromberg auf das Thema ansprechen, sobald wir wieder Funkverbindung haben. Dann werde ich ihm Ihre Bedenken vortragen und ihn fragen, wie wir weiter vorgehen sollen. Bis es so weit ist, untersteht Frau Peters Ihrem Ressort. Sie werden sie ein bisschen herumführen, ihr alles erklären und sie in unsere Theorien einweisen.«
»Was denken Sie sich«, brauste Moreau auf. »Ich bin doch kein Touristenanimateur,
sacré bleu
. Suchen Sie sich jemand anderen, der …«
»Das war keine Bitte, Monsieur Moreau. Ich bin sicher, Sie finden jemanden in Ihrem Team, den Sie Frau Dr. Peters zur Seite stellen können. Oder soll ich jemanden auswählen?«
Der Ausdruck des Professors war jetzt merklich feindselig. Eine Weile hielt er dem Blick des Kommandanten stand, dann knickte er ein. Schnaubend wandte er sich seinen Karten
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