Valhalla: Thriller (German Edition)
versuchte er, sich aus dem Griff zu befreien, doch es war sinnlos. Schon begann er blau anzulaufen. Eine endlose Sekunde standen die fassungslosen Teammitglieder um die beiden Kontrahenten herum, dann stürzten sie sich mit vereinten Kräften auf den Archäologen und bemühten sich, Steve aus dem mörderischen Griff zu befreien. Hannah konnte nicht sehen, was vorging, aber sie hörte das angestrengte Keuchen der Helfer, das von den unartikulierten Schreien Moreaus konterkariert wurde. Die Geräusche waren so entsetzlich, dass sie beide Hände auf die Ohren presste, um sie nicht hören zu müssen.
Moreau gebärdete sich wie besessen.
»Heeelft … miiir!«
, schrie er und schlug dabei wild um sich. Gjertsen wurde nach hinten geschleudert, stolperte aus dem Kreis der Helfer und landete flach auf dem Rücken. Seine Nase war blutig zerschlagen.
Hannah eilte ihm zur Hilfe und richtete ihn auf. Der Kommandant war ganz benommen. »Das ist nicht normal …«, stammelte er. »Diese Kraft … das ist einfach nicht normal.« Dann nieste er. Hannah wurde mit roten Tropfen besprenkelt. »Tut … tut mir l… leid«, stammelte er, als er sah, was er angerichtet hatte. »I… ich wollte n… nicht …«
»Das macht doch nichts«, unterbrach ihn Hannah und zog ihn aus dem Gefahrenkreis hinüber zum Lager. Obwohl sie sich ekelte, machte sie weiter. Sie hatte alle Hände voll zu tun, denn Gjertsen wog mindestens neunzig Kilo. Sie lehnte ihn mit dem Rücken gegen eine der Kisten und reichte ihm ein Taschentuch. »Wird es gehen?«
Er nickte.
»Bin gleich wieder zurück.«
Die Situation an Moreaus Krankenbett war nach wie vor angespannt. Noch immer waren etliche Helfer bestrebt, den tollwütigen Archäologen zu bändigen, doch der Widerstand schien langsam zu erlahmen. Steve war den mörderischen Klauen entronnen und wurde, gestützt von Marie und einer anderen jungen Frau, zu seinem Feldbett geführt. An seinem Hals waren deutliche Würgemale zu sehen. Hannah wollte sich gerade nach seinem Befinden erkundigen, als von Moreaus Lager her ein Schrei ertönte. »Nein, nein, nein, was ist denn das jetzt schon wieder? Eben war er doch noch bei Bewusstsein. Hol ihn wieder zurück.«
»Und wie soll ich das anstellen, wenn ich fragen darf? Ich bin kein Arzt.«
»Verdammt, wo ist Steve?«
»Auf den können wir im Moment nicht zählen, der ist ausgezählt.«
»Scheißegal. Bringt ihn her, schnell.«
»Steve, kannst du kurz mal kommen? Du solltest dir das wirklich mal ansehen.«
»Was ist los …?«
»Ich glaube, der ist tot. Moreau, meine ich. Er atmet nicht mehr.«
»Was?« Der junge Mediziner stand auf und taumelte unsicher ein paar Schritte nach vorn. Hannah eilte zu ihm und stützte ihn.
»Geht’s wieder?«
Er nickte. »Danke.«
»Kommen Sie, ich begleite Sie die letzten Meter.«
Die Leute wichen auseinander, als Hannah und Steve bei ihnen eintrafen. Der Anblick war schockierend. Moreau blutete aus unzähligen kleinen Wunden, die überall auf seinem Körper aufgebrochen waren. Das Feldbett war getränkt von Blut, Moreau schwamm regelrecht darin.
»Plötzlich war kein Puls mehr da, und geatmet hat er auch nicht mehr. Wir wussten einfach nicht, was wir tun sollten.«
»Lasst mich mal sehen.« Steve senkte sein Ohr auf Moreaus Brust und lauschte. »Verdammt, ihr habt recht«, murmelte er. »Sein Herz hat ausgesetzt.« Er ging auf die Knie und leitete eine sofortige Herzmassage ein. Er suchte den Druckpunk, legte die zweite Hand auf die erste und strecke die Arme durch. Dann fing er an, Druck auszuüben. Einmal, zweimal, dreimal. Hannah zählte dreißig Stöße, gefolgt von zwei Beatmungen. Dann wieder von vorne. Der Schweiß stand ihm auf der Stirn. »Komm schon«, flüsterte er. »Komm endlich wieder zu dir.« Wieder und wieder bearbeitete er das Herz, doch Moreau rührte sich nicht. Nach etwa zehn Minuten gab der junge Arzt auf. Sichtlich niedergeschlagen sackte er in sich zusammen und gab einer Kollegin zu verstehen, sie möge etwas zu schreiben holen. Schweigend warteten sie.
Als die Frau mit Klemmbrett und Stift wiederkam, diktierte er: »Frédéric Gerome Moreau, leitender Archäologe. Todeszeitpunkt: 16. November, 02:55 Uhr. Vermutlich anaphylaktischer Schock, Auslöser unbekannt. Gegenmaßnahmen: Gaben von Adrenalin und Cortison sowie Kochsalzlösung intravenös. Leider ohne Erfolg. Patient kollabierte. Todesursache: Herzstillstand und Aussetzen der Atmung. Der Leichnam wird gekühlt, vakuumiert und für die
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