Valhalla: Thriller (German Edition)
oberflächlich. Hannah konnte spüren, wie es darunter gärte.
»Danke.«
»Doch, doch, hat mir sehr gefallen«, fuhr er fort. »Hätte ich gewusst, dass Sie so eine eloquente Rednerin sind, hätte ich mir das mit der Vorstellung vielleicht noch einmal überlegt.«
»Ich bin selbst überrascht, wie leicht mir die Worte über die Lippen kamen«, sagte Hannah. »Die Leute scheinen sehr nett zu sein. Aber Sie hätten mich ruhig vorwarnen können, als Sie entschieden haben, mich auf die Bühne zu holen.«
»Was beklagen Sie sich, ist doch alles gut gelaufen? Sie haben gut abgeschnitten und vermutlich einige neue Freunde gefunden.« Er blickte in die Menge und trank noch einen Schluck. »Lassen wir es dabei bewenden, aber übertreiben Sie nicht. Ich wollte, dass Sie Anschluss finden, nicht, dass Sie mir alle Sympathiepunkte vor der Nase wegschnappen. Es gibt nur einen Kapitän an Bord dieses Schiffes, und das bin ich. Konkurrenz werde ich nicht dulden, habe ich mich klar ausgedrückt?«
»Voll und ganz, Monsieur Moreau.« Hannah wippte nach vorne und schlug die Hacken gegeneinander. Sie war sich sicher, dass die Ironie dieser Geste an Moreau vorüberging. Zu salutierten traute sie sich dann aber doch nicht. Sie wollte den wackeligen Frieden nicht gleich wieder aufs Spiel setzen.
»Schön. Dann wollen wir uns mal unters Volk mischen. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend.« Mit diesen Worten drehte er sich um und ließ sie stehen.
Hannah sah ihm hinterher und schüttelte innerlich den Kopf. Was für ein Arschloch! Manche Dinge änderten sich eben nie. Sie kam nicht mehr dazu, den Gedanken weiter zu vertiefen, denn plötzlich tauchte Leif Gjertsen neben ihr auf, in seiner Hand ein Weinglas.
»Meinen Glückwunsch«, sagte er. »Das haben Sie gut gemacht.«
»Es gibt Leute, die das anders sehen.«
»Was, Moreau? Ach, lassen Sie sich von dem Miesepeter nicht die Laune verderben. Er hat Sie in die Situation gebracht, jetzt soll er auch sehen, wie er damit zurechtkommt.«
»Er sieht mich als Konkurrenz.«
»Und wennschon.« Gjertsen lächelte grimmig. »Ein bisschen Konkurrenz hat noch nie geschadet. Es belebt das Geschäft, sagt man nicht so bei Ihnen?«
»Das stimmt …«
»Na also. Lassen Sie den Kopf nicht hängen und folgen Sie mir. Ich würde Sie gern ein paar Leuten vorstellen. Menschen, die Ähnliches durchgemacht haben wie Sie und mit denen Sie bestimmt gleich im Gespräch sind.«
Hannah sah ihn skeptisch an, leerte den Wein in einem Zug und stellte das Glas ab. »Ich bin bereit. Mischen wir uns unters Volk.«
13
E s war mitten in der Nacht, als ein dumpfes Husten sie aus dem Schlaf riss.
Das Licht im Camp war während der Ruhestunden auf ein Minimum gedämpft worden. Im schwachen Leuchten zweier Gaslaternen sah Hannah die dunkelblaue Eiskuppel über sich, glitzernd wie ein Sternenhimmel. Ein wunderschöner Anblick, der in krassem Kontrast zu dem schrecklichen Husten stand. Zuerst dachte sie sich nichts dabei, doch als das Würgen und Keuchen nicht mehr aufhörte, richtete sie sich auf. Was sie da hörte, klang gar nicht gut. Nach und nach wurden auch die anderen wach.
»Was ist denn los?«, fragte eine junge Frau mit müder Stimme. Sie hatte ihr Feldbett neben dem von Hannah aufgeschlagen. »Klingt ja furchtbar.«
»Als hätte sich jemand böse verschluckt«, sagte ein anderer. »Das kommt davon, wenn man den Hals nicht voll bekommt und um diese Uhrzeit noch isst.«
»Vielleicht hat er auch zu viel getrunken, und ihm ist übel geworden«, sagte die junge Frau. »Wir sollten mal nachsehen, bei dem Lärm kann ja niemand schlafen.«
Hannah blickte in die Richtung, aus der das Husten kam. Sie konnte erkennen, dass bereits mehrere Mitglieder des Teams auf den Beinen waren und um ein Feldbett am anderen Ende des Lagers standen. Es wurde heftig diskutiert. Einer der Männer rannte zu einer der Kisten und fing an, darin herumzuwühlen.
»Sieht ernst aus«, kommentierte die junge Frau neben Hannah. »Da drin bewahren sie die Medikamente, Verbandsmaterialien und sonstige Erste-Hilfe-Artikel auf. Der da rennt, ist übrigens unser Arzt. Du bist ihm gestern Abend begegnet, glaube ich.«
»Stimmt«, erwiderte Hannah, deren Gedankengänge erst langsam wieder einsetzten. Sie blickte auf die Uhr. Kurz nach zwei. Großer Gott, sie hatte noch nicht mal zwei Stunden geschlafen. Zum Glück war es nur bei einem Glas Wein geblieben, sonst ginge es ihr vielleicht so wie den bemitleidenswerten Gestalten, die
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