Valhalla: Thriller (German Edition)
Behandlung auskannte. Gjertsen war der Nächste gewesen, danach Marie. Die Menschen gerieten in Panik, fielen über die Vorräte her und versuchten, aus Tüchern, Tüten und Sauerstoffflaschen irgendwelche Atemgeräte zu bauen. Aber natürlich war es dafür längst zu spät. Was immer da hinter der Tür gewesen war, es hatte sie alle infiziert. Es hatte Schleimhäute aufgelöst und Blutgefäße zum Platzen gebracht. Es hatte Organe verflüssigt, Lungen kollabieren lassen und Herzen zum Stillstand gebracht. Und es war noch lange nicht am Ende.
Hannah kroch weiter. Ein plötzliches Ziehen im Unterleib ließ sie vor Schmerzen laut aufschreien. Ihre Finger krallten sich in die gefrorene Erde, ihre Atmung setzte aus.
Vier Sekunden … fünf … sechs …
Als sie glaubte, sie würde es keinen Moment länger aushalten, ließ der Schmerz plötzlich nach. Stöhnend sank sie zu Boden. Großer Gott, was war das nur? Es fraß sich durch ihre Eingeweide hinauf bis in ihren Kopf. Ein Parasit? Bakterien?
Viren?
Aber diese Stadt war seit Urzeiten unberührt. Was für ein Erreger hätte so lange in dieser lebensfeindlichen Umgebung überleben können? Bisher hatten sie keine Leiche gefunden, keine Mumie, kein Skelett. Nicht mal irgendwelche Knochenreste.
Ein plötzlicher Hustenanfall unterbrach den Gedankengang. Ihre Lunge fühlte sich an, als würde sie durch einen Fleischwolf gedreht. Immer rundherum und rundherum in der furchtbaren Häckselmaschine. Als sie fertig war, sich die Lunge aus dem Leib zu kotzen, und mit dem Handrücken über ihren verschleimten Mund wischte, stellte sie fest, dass er ganz blutig war. Oh Gott, die Blutungen setzten ein. Der letzte Akt in diesem tödlichen Schauspiel. Zielgerade in Sicht. Und die letzten Meter würden noch mal richtig fies werden.
Ihre Finger umschlossen die Wasserflasche. Es war sogar noch etwas darin. Zitternd führte sie die Öffnung zum Mund und ließ das kalte Nass die Kehle hinunterfließen. Um ein Haar hätte sie alles wieder ausgespuckt, als sie von einem neuerlichen Hustenanfall durchgeschüttelt wurde. Aber sie konnte es gerade noch verhindern. Noch ein Schluck. Oh, welche Wohltat. Jetzt nur noch die letzten Minuten durchstehen.
John,
dachte sie.
Mein Geliebter. Gut, dass du nicht mitgekommen bist. Dich sterben zu sehen, hätte ich nicht ertragen.
An eine Steinmauer gelehnt, ließ sie einen letzten Blick durch die Höhle schweifen. Dann schloss sie die Augen. Zum Sterben.
Teil 2
Chimäre
15
P ing …
Dunkelheit. Allumfassende Dunkelheit. Ein Meer aus Schwärze und Gelassenheit. Darin ein Ton. Hoch, melodisch, regelmäßig.
Ping …
Ein Vogel?
Zunehmend verhaltene Geräusche. Murmeln, Flüstern. Der Wellenschlag menschlicher Worte. Zu weit entfernt, um sie zu verstehen.
Ping …
Licht. Ein heller Punkt, stetig zunehmend. Weiß … weiße Strahlen. Scheinwerfer? Betäubende Helligkeit. Schmerz.
Erneute Dunkelheit.
…
»Ich glaube, sie kommt wieder.«
Ping …
Ein seltsamer Geruch. Scharf, steril, antiseptisch. Alkohol? Wieder Licht, diesmal erträglicher. Trotzdem war da noch dieses unerträgliche Pochen im Kopf.
Ping …
»Hannah?«
Eine Frage. An wen?
»Hannah, bist du wach?«
Die Stimme klang vertraut. Wärme. Geborgenheit. Lächeln.
Ping …
Sie versuchte, etwas zu erkennen, doch es blieb dunkel.
»Hannah, ich kann sehen, dass du deine Augen bewegst. Du kannst mich doch hören, oder?«
Ja, Liebster, ich kann dich hören, nur sehen kann ich dich nicht. Wo bist du?
»Komm schon, sieh mich an. Rede mit mir. Ich bin’s, John. Ich bin so froh, dass du lebst.«
Ping …
Bewegte Schatten. Sanfte Berührungen. Ein Lichtstrahl.
Es tut so gut, dich zu spüren, Liebster. Wo bist du? Warum kann ich dich nicht sehen? Was ist mit meiner Stimme? Warum kann ich nicht mit dir reden?
Ping …
Könnte mal jemand dieses nervige Geräusch abstellen?
»Willst du mir etwas sagen, Hannah? Komm schon, sprich mit mir, ich sitze direkt hier. Möchtest du irgendetwas?«
»Www…«
»Wasser? Hast du Durst, möchtest du etwas trinken?«
Ein Nicken.
Ja, Liebster. Ich habe Durst. Schrecklichen Durst. Ich nicke, siehst du? Bitte gib mir etwas zu trinken.
»Moment, hier. Ich setze die Schnabeltasse jetzt an deine Lippen. Aber schön langsam, verstehst du? Nicht dass du dich verschluckst.« Ein Schatten, der sich herunterbeugt.
Ja, Wasser, endlich. Oh, verdammt, das tut weh. Aber egal. Meine Kehle ist so trocken. Noch einmal. Ja, schon
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