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Valley - Tal der Wächter

Titel: Valley - Tal der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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wie ein tobender Stier immer wieder »Ruhe!« brüllte. Schließlich übertönte sie den Radau mit schierer Stimmgewalt. »Ruhe, alle miteinander! Sofort hinsetzen! Alle! In einem solchen Fall muss man mit Bedacht vorgehen! Nein – kein Wort mehr, Hal Svensson. Erst dann wieder, wenn ich es dir erlaube! Ragnar – wie lautet deine Anklage nun?«
    »Dass Hal Svensson meinen armen, kranken Onkel hinterhältig ermordet hat, indem er ihn angezündet hat. Aus welchem Grund? Um seinen eigenen Onkel zu rächen. Woher ich das weiß? Weil ich ihn, nachdem ich durch die brennende Halle gerannt bin, vom Fenster aus unten auf der Brüstung unserer Mauer gesehen habe, kurz bevor er in den Wassergraben sprang! Ich habe ihn ganz deutlich gesehen!«
    »Streitest du das ab, Hal?«, fragte Helga.
    Hal wählte seine Worte sorgfälltig. »Ich habe Olaf nicht umgebracht.«
    »Was sagst du dazu, Astrid Svensson?«
    Hals Mutter stand auf. »Das ist doch lächerlich! Hal ist noch ein Kind, noch dazu kein besonders großes. Wie hätte ausgerechnet er einen ausgewachsenen Krieger wie Olaf umbringen können?«
    »Es ist unwahrscheinlich, aber vielleicht nicht ausgeschlossen...« Helga trommelte mit den Fingern auf ihr knubbliges Knie. »Hat sich dein Sohn – oder sonst jemand aus eurem Haus – im Herbst im Untertal aufgehalten?«
    »Keiner, und Hal schon gar nicht! Er war die ganze Zeit daheim und hat bei der Feldarbeit geholfen, der brave Junge!«
    »Du lügst!«, rief Ragnar. »Du, die du selbst Schiedsherrin bist, lügst das Blaue vom Himmel herunter, um deinen Sohn zu schützen! So etwas Widerwärtiges!«
    Daraufhin sprang Leif Svensson auf und drohte Ragnar mit der Faust und auch die Begleiter der Svenssons brachen in zorniges Geschrei aus. Auf der gegenüberliegenden Seite der Halle stürzten Hord und seine Leute vor. Etliche Diener der gastgebenden Rurikssons, jeder mit Oberarmmuskeln, dicker als Schweinebäuche, traten ebenfalls vor, wobei nicht ganz klar war, ob sie für Ruhe sorgen oder bei dem allgemeinen Radau mitmischen wollten.
    Helga Thordsson stieß einen Wutschrei aus, dass die Dachbalken bebten und selbst die kräftigsten Männer eingeschüchtert wieder auf ihre Plätze sanken. Helga sah mit finsterer Miene drohend in die Runde. Dann donnerte sie: »Wir sind hier nicht in einer Heldengeschichte! Hier bei uns regelt man Auseinandersetzungen nicht mit Gewalt! Wir legen unsere Streitigkeiten auf andere Weise bei und das schon seit vielen Generationen! Schämt euch alle miteinander – Kläger genauso wie Ankläger! Bei uns ist es üblich, dass man sich friedlich miteinander ausspricht und zu guter Letzt mit dem Schiedsspruch des Rates abfindet. Seid ihr damit einverstanden oder wollt ihr euch lieber die Gurgeln durchschneiden? Überlegt es euch gut! Ihr werdet euch für alles verantworten müssen!«
    Ringsum wurde nun ausgiebig gehüstelt und gebrummelt. Helga nickte grimmig. »Na also.«
    Ulfar Arnesson hob die Hand. »Ich habe eine Frage. Ragnar ist, wie wir alle wissen, ein ehrenwerter junger Mann, aber ich begreife nicht, weshalb er mit seiner Anklage gegenüber Hal so lange gewartet und sogar seinem Vater nichts davon gesagt hat!«
    Ragnar zuckte die Achseln. »Außer mir hat niemand Hal gesehen, niemand außer mir weiß, dass er der Schuldige ist. Darum hatte ich mich eigentlich entschlossen, die Sache nicht öffentlich zu machen, denn mehr Beweise habe ich nicht. Außerdem weiß ich, dass meinVater diesen Streit bald bereinigen will, statt ihn noch weiter in die Länge zu ziehen. Aber als ich heute Hals widerwärtiges Gesicht sah, konnte ich einfach nicht mehr schweigen. Mag das Urteil ausfallen, wie es will, ich habe jedenfalls die Wahrheit gesagt.«
    Ulfar nickte. »Gut gesprochen. Ich neige dazu, dir zu glauben.«
    »So wie du immer zu den Hakonssons neigst!«, rief Astrid empört. »Wie geht’s übrigens deiner bedauernswerten Tochter, werter Cousin? Hast du sie eingesperrt, damit sie nicht vor der Hochzeit mit unserem lieben Ragnar davonläuft?«
    Ulfar stieß einen wütenden Schrei aus und sprang wieder auf. Helga brachte ihn mit einem energischen »Ruhe!« zum Schweigen, dann sagte Hal: »Ich weiß ja, dass Ragnar Unsinn redet. Trotzdem möchte ich ihn etwas fragen. Die geheimnisvolle Gestalt auf der Mauer – hat sie sich zu dir umgedreht?«
    »Nein.«
    »Dann konntest du ihr Gesicht nicht erkennen?«
    »Nein.«
    Hal wandte sich lächelnd dem Rat zu. »Mit anderen Worten: Es hätte irgendwer sein

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