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Valley - Tal der Wächter

Titel: Valley - Tal der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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mal nicht, Schätzchen.« Die Alte zauste Aud zärtlich das blonde Haar. »Und ich auch nicht.«
    Plötzlich ärgerlich und auch unter dem Einfluss des Alkohols konnte Hal nicht mehr an sich halten. »Du kannst uns alles Mögliche über die Trolde erzählen, Katla, aber es steht doch fest, dass sie nur nachts rauskommen, oder? Wieso darf man dann tagsüber nicht hinter die Hügelgräber gehen? Das haben Sven und die anderen Helden damals doch auch gemacht!«
    Katla kicherte belustigt. »Man sollte doch denken, dass die Trolde abschreckend genug wären! Sogar die Helden nahmen sich vor ihren Klauen in Acht! Aber falls dir das noch nicht reicht: Die Grenze zu übertreten, bringt Unheil über unser ganzes Haus – und noch mehr Unheil bringt es über den, der so etwas wagt.«
    »Was denn für ein Unheil?«, hakte Hal nach. »Was würde passieren, wenn beispielsweise ein törichtes, eigensinniges Mädchen hinter die Hügelgräber gehen würde?«
    Katla setzte eine Unheil verkündende und zugleich tief befriedigte Miene auf. »Das dumme Ding würde auf der Stelle unfruchtbar. Ihr Leib würde verdorren wie bei mir armen alten Magd.«
    »Na ja«, Hal schielte zu Aud hinüber, »welches vernünftige Mädchen würde schon so etwas riskieren.«
    Aud grinste durchtrieben. »Und wenn der Übeltäter ein Junge wäre, liebe Katla?«
    »Ein Junge? Oje, für den hätte es noch viel schlimmere Folgen. Aber ich will eure empfindsamen Gemüter nicht mit Einzelheiten belasten.«
    »Ach, Hal verkraftet das schon.«
    »Nein, Schätzchen, ich kann es unmöglich aussprechen.«
    »Och, bitte...«
    »Wenn du es unbedingt hören willst«, fuhr Katla fast im selben Atemzug fort, »wenn du mich zwingst...Nun, ein männliches Wesen würde folgendes Unheil ereilen: Erst würde sein Geschlechtsteil einschrumpeln und sich wie eine Assel einrollen, und danach würde es, Plopp! , einfach abfallen.« Die Alte trank einen großen Schluck und schmatzte genießerisch. »Wer, der noch bei Trost ist, würde derart leichtsinnig sein?«
    »Ja, wer wohl?« Aud trat an den Kamin und nahm den Krug vom Sims. »Noch ein Schlückchen, Hal? Du machst mir den Eindruck, als hättest du einen ganz trockenen Mund.«
    Nach und nach verabschiedete sich der Winter. Es schneite nicht mehr, das Wetter wurde besser. Hinter den Troldmauern türmte sich der alte Schnee zu schroffen, vom Wind geformten und blank polierten Dünen auf. Eines Morgens, als gerade das erste fahle Sonnenlicht seinen Weg durch die Wolkenbänke bahnte, fiel Hal auf, dass die Schneedünen flacher geworden waren. Am nächsten Tag sackten sie in sich zusammen.Vom Dach aus konnte man das Schmelzwasser rieseln hören, überall tropfte und gluckste es – es taute.
    »Prima«, sagte Aud. »Wollen wir los?«
    »Erst wenn überall oben auf den Hügeln das Gras zu sehen ist.«
    Eine Woche verging. Die Bewohner des Hauses arbeiteten wieder draußen auf den noch gefrorenen Feldern. Mit jedem Tag zog sich der Schnee auf dem Hügelkamm hinter dem Haus weiter in Senken, Mulden und in die schattigen Flächen bei den Mauern zurück. Die Hänge waren schmutzig weiß gescheckt. Grüne Streifen erstreckten sich bis zu den Hügelgräbern.
    »So!«, sagte Hal. »Dann wollen wir mal.«

    Es war noch früh am Morgen. Im Südosten kletterte die blasse Sonne durch kleine und größere Wolkenfetzen den Himmel hinauf, und der Wind, der von den Hügeln herunterfegte, war noch winterlich kalt. Aber es war der bis dahin wärmste Tauwettertag. Beim Aufstieg standen ihnen Schweißperlen auf der Stirn.
    Schon hatten sie den Hügelkamm halb erklommen.
    Hal, ein wenig außer Atem, drehte sich um.Weiter rechts, unterhalb der Hügelfalte, war das Haus immer noch zu erkennen. Dahinter schlängelte sich Svens Straße wie eine schwarze Schnur zwischen aufgeweichten Feldern und Wiesen durch das Tal. Ein, zwei Knechte waren schon mit Umgraben beschäftigt, hackten auf den Boden ein. Sie sahen winzig aus.
    Hals Blick blieb an dem mit Türmchen versehenen Dach des Hofs hängen, den sein Vater erst wieder verlassen würde, wenn er seine – nicht mehr ferne – letzte Reise in sein Hügelgrab antrat. Der Anblick versetzte Hal einen Stich, aber er riss sich zusammen und atmete tief die eisige Luft ein. Dann rückte er sein Bündel zurecht und spürte, wie es in seinen Waden kribbelte und pikte, als er sich wieder an den Aufstieg machte. Es tat gut, nach so langer Zeit wieder etwas zu unternehmen. Er ließ rasch den Blick über den Himmel

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