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Valley - Tal der Wächter

Titel: Valley - Tal der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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ging auf der Mauerkrone zwischen den Feldern entlang. Er brauchte dem gewundenen Verlauf der Mauer nicht lange zu folgen, bis er an die Straße kam, die sich unweit der Festwiese dahinschlängelte.
    Die meisten Stände waren inzwischen besetzt und mit Waren aller Art bestückt. Zwischen den Bierfässern und dem Grashügel, auf dem die Geschichtenerzähler saßen, wogte eine fröhliche Menge. Eine ganze Wiese stand schon voller Zelte in allen Regenbogenfarben, und auf der Straße kamen immer noch mehr Gäste herbei, um durch das bunt geschmückte Tor eingelassen zu werden.
    Hal wagte sich zögernd näher heran, überlegte, ebenfalls hindurchzugehen, wog die Erfolgsaussichten ab. Neben dem Tor stand wachsam und muskelbepackt Grim, der Schmied. Grim entdeckte Hal und scheuchte ihn mit ein paar beiläufigen und zugleich unmissverständlich drohenden Gebärden weg.
    Hal machte mit hängendem Kopf kehrt und trottete zum Haus zurück, doch dann schlug er unvermittelt einen schmalen Weg zwischen den Rübenfeldern ein.
    Am Ostrand der Ansiedlung, dort, wo die Troldmauer eingestürzt war und sich in einen sanften, mit Gras und Kletten bestandenen Hang verwandelt hatte, lag Svens Obstgarten. Er bestand aus ungefähr dreißig Bäumen, hauptsächlich Apfel- und Birnbäumen, die dicht an dicht standen und von einem niedrigen Wall aus Torf umschlossen waren. Die Ernte war nicht der Rede wert, sodass sich normalerweise niemand dort aufhielt, und heute erst recht nicht. Hal aber sehnte sich nach einem ruhigen, abgeschiedenen Ort.
    Schon schlossen sich die dunkelgrün belaubten Zweige über ihm. Der Trubel war auf einmal weit weg, Hal konnte wieder freier atmen. Er ging noch ein Stück weiter, blieb stehen und schloss die Augen.
    Da brach mit einem Mal über seinem Kopf der Tumult los. Erst hörte man etwas über Baumrinde scharren, dann knackten Zweige, ein kurzer Aufschrei war zu hören und zu guter Letzt prasselte Hal ein wahrer Apfelhagel auf den Kopf.
    Hal machte einen gewaltigen Satz, konnte aber nicht mehr ausweichen. Dabei hörte er neben sich einen dumpfen Aufprall. Als er sich umdrehte, sah er ein Mädchen zwischen den Wurzeln des Baumes liegen, das sofort ihren Rock über die ausgestreckten Beine zog. In ihrem Schoß und im Gras um sie herum lagen lauter Äpfel. Ihr Kleid, ursprünglich von einem hübschen Violett wie reife Pflaumen, war grünlich verschmiert, und ihr Gesicht war größtenteils unter langen strohblonden Haaren verborgen, die sich bei ihrem Sturz aus der Spange gelöst hatten.
    Hal, der an Gudnys tadellose Erscheinung gewöhnt war, staunte nicht schlecht und blinzelte die Unbekannte verdutzt an.
    Das Mädchen machte »Uff!« und strich die Haarsträhnen nachlässig zurück.
    »Vielleicht hätte ich nicht zwanzig Stück auf einmal pflücken sollen«, sagte sie. »Hast du einen abgekriegt?« Sie machte ein besorgtes Gesicht.
    »So ziemlich alle.«
    »Mist. Dann sind sie jetzt angestoßen und nicht mehr zu gebrauchen. Wären sie im Moos gelandet, wäre nichts passiert.« Sie klopfte mit der flachen Hand auf den Boden. »Das Moos ist hier ganz weich – zum Glück für meinen Hintern. Hilf mir mal hoch.«
    Hal klappte den Mund auf, aber ihm fiel keine Erwiderung ein. Darum beschränkte er sich darauf, dem Mädchen die Hand hinzustrecken und es hochzuziehen.
    »Danke.« Sie fegte Rindenstückchen von ihren Kleidern und inspizierte ihre bloßen braunen Arme. Sie waren ein wenig zerkratzt. Das fremde Mädchen war einen halben Kopf größer als Hal und vielleicht ein bisschen älter. Bekümmert musterte sie ihr Kleid. »Meine Tante bringt mich um. In diesem Aufzug sollte ich morgen den Schiedssprüchen beiwohnen, und es sind natürlich die einzigen vernünftigen Sachen, die ich dabeihabe. Ich hätte mich ja umgezogen, aber unser Zelt war noch nicht aufgebaut, und da wollte ich mich nicht einfach mitten auf der Wiese ausziehen. Das wäre meinen Aussichten auf einen Ehemann dann doch abträglich gewesen, dachte ich mir. Oder auch grade nicht. Egal. Sei ein braver Junge und sammle die Äpfel für mich auf. Vielleicht lässt sich doch noch etwas damit anfangen.«
    Hal war immer noch wie vor den Kopf gestoßen. »Wie bitte?«
    »Aufsammeln. Die Äpfel.« Sie sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen abwartend an. »Für einen Diener bist du aber ziemlich schwer von Begriff. Mein Vater hätte dich längst die Peitsche spüren lassen.«
    Hal räusperte sich und richtete sich zu seiner vollen Größe auf, also ungefähr bis zu

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