Valley - Tal der Wächter

Titel: Valley - Tal der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud

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Versammlung? Als wir heute Morgen durchs Tor geritten sind, standen deine Eltern und Geschwister in Reih und Glied da, um uns zu empfangen. Deine Schwester ist ja nicht ohne. Fürch-ter-lich eingebildet! Sie hat mich naserümpfend angegafft wie irgendeinen Unrat, den der Wildbach angeschwemmt hat. Dabei war mein Kleid vorhin noch sauber.« Sie unterbrach sich und griff unvermittelt in ihr zerzaustes Haar. »Jetzt ist die Spange auch noch futsch! Das war’s wohl mit dem ordentlichen Zopf.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich sag’s ja, meine Tante bringt mich um... Wie bitte?«
    »Habe ich was gesagt?«, fragte Hal erstaunt.
    »Warum du hier in Alltagskleidung rumlungerst und schmollst.«
    »Äh...« Hal ging rasch ein paar Ausreden durch, aber sie kamen ihm alle nicht besonders glaubwürdig vor. Er zuckte die Achseln. »Man hat mich von den Festlichkeiten ausgeschlossen.«
    »Wieso das denn?«
    »Weil ich mich in einem Streit an meinem Bruder vergriffen habe.«
    Das Mädchen runzelte die Stirn. »Aha. Nämlich wie?«
    »Er hat mich gehauen und ich hab ihn dafür in den Misthaufen geschubst.«
    Aud Ulfarstochter stieß ein merkwürdiges Lachen aus, abrupt und ein wenig rauh, und erwiderte: »Offen gestanden verpasst du nicht viel.Alle stolzieren bloß zwischen den Zelten auf und ab und wollen einander mit der Zurschaustellung ihres Reichtums übertrumpfen. Die Eirikssons haben einen Bären an ihrem Stand festgebunden, dessen Halsring angeblich aus purem Gold ist.« Sie lachte erneut auf. »Jedenfalls hat ihnen das Vieh, als die Ketilssons gerade ihre Aufwartung machen wollten, auf den Besucherteppich gepinkelt. Der alte Ljot Eiriksson hat dageses-sen und mit zusammengebissenen Zähnen Artigkeiten von sich gegeben, während seine Hosen allmählich durchweichten. Aufstehen konnte er nicht, da hätte er das Gesicht verloren.«
    Da musste Hal zum ersten Mal seit Tagen herzlich lachen. Doch dann seufzte er wieder betrübt. »Du bist so vertraut mit all diesen wichtigen Leuten. Ich wünschte, ich würde sie auch so gut kennen wie du. Ich bin nämlich noch nie auf einer Versammlung gewesen.«
    Es kam ihm nicht in den Sinn, seiner neuen Bekannten das zu verschweigen. Sie war so offen, dass auch er alle Zurückhaltung vergaß.
    »Ach, die Familien der alten Stammväter sind stinklangweilig«, sagte Aud. »Anwesende natürlich ausgenommen. Am schlimmsten sind die Sumpfler, die Ormssons und Hakonssons mit ihren albernen Frisuren und dem grässlich großspurigen Getue. Als die Hakonssons vorhin an unserem Stand vorbeistolziert kamen, wäre ich vor Wut beinahe geplatzt, weil sich meinVater wie der letzte Duckmäuser aufgeführt hat, buckelnd und unterwürfig, als stammte er nicht genauso von einem Helden ab! Darum bin ich abgehauen. Ich kam hier hochspaziert und habe diesen Garten entdeckt. Es macht dir doch hoffentlich nichts aus, wenn ich ein paar von deinen Äpfeln einstecke, Hal Svensson? Auf der Festwiese gibt’s bloß Bier und fetttriefenden Braten.«
    Hal machte eine einladende Geste. »Aber bitte sehr.Warte, ich helfe dir.«
    Sie bückten sich und sammelten das Fallobst auf. Als Hal beide Hände voll hatte, richtete er sich wieder auf und wartete. Er sah zu, wie Aud, die im Gras hockte, die Äpfel einen nach dem anderen prüfend umdrehte und schließlich ein paar ausgesuchte Exemplare in ihren geschürzten Rock legte. Es war warm, Hals Wangen glühten.Als von der fernen Festwiese lauter Jubel herüberklang, wandte er blinzelnd den Kopf.
    Aud stand auf und strich sich das Haar aus dem Gesicht. »So. Jetzt muss ich aber wieder zurück.«
    Hal stieß die angehaltene Luft aus. »Ich begleite dich«, sagte er knapp. »Wenn du magst. Wenn es dir nichts ausmacht, über die Mauer zu klettern, wüsste ich eine Abkürzung.«
    Sie grinste. »Alles klar.«
    Hinter den Bäumen befand sich am Rand des Gartens die eingestürzte Troldmauer. Sie kletterten vorsichtig über die scharfkantigen Steine, die unter dem langen welken Gras verborgen waren.Vor ihnen erhoben sich die fensterlosen, mit gelben Flechten bewachsenen Mauern der äußeren Hofgebäude.Von der Mauer aus musste man einen guten Meter tief in einen Hinterhof springen, wo unter einem Vordach Holzscheite zum Trocknen aufgestapelt waren. Hal landete auf den Steinplatten und drehte sich um, weil er Aud behilflich sein wollte, aber die war schon neben ihm gelandet.
    »Was für’ne mickrige Mauer«, sagte sie. »Da kann ja ein einbeiniger Trold rückwärts drüberhüpfen.«
    »Zu