Valley - Tal der Wächter
als von hier nach dort. Hord und Ragnar werden nur fünf Schritte von dir entfernt sitzen. Du vermeidest gefälligst jede offene Feindseligkeit ihnen gegenüber, genauso wie verächtliche Bemerkungen, hämische Blicke, Beleidigungen, Schimpfworte und unverschämte Gesten – und vor allem jede Art von Handgreiflichkeiten. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?«
»Du hättest es zwar ruhig noch ein wenig weiter ausführen können, aber ich glaube, ich hab’s kapiert.«
»Gut. Dann gehen wir jetzt rein.«
18
Als Rurik zu Ohren kam, dass Sven seine Pächter entführt hatte, wurde er dunkelrot vor Zorn. Zusammen mit einem Trupp Männer überquerte er den Fluss und brachte auf Svens Gebiet die erstbesten Bauersleute um, die ihm über den Weg liefen.
Sven schüttelte den Kopf, als er das hörte. »Es ist immer riskant, etwas anzufangen, was man nicht zu Ende bringen kann«, sagte er, überquerte mit seinen Leuten seinerseits den Fluss und brannte das nächstbeste Gehöft nieder, aber kaum war er wieder zu Hause, erfuhr er, dass Rurik zur Vergeltung schon wieder einen Überfall unternommen hatte.
So ging die Fehde das ganze Jahr über. Schließlich sagte Sven: »Rurik bleibt stur, aber wir wollen doch mal sehen, ob ihm das auch mit leerem Magen gelingt.« Er steckte Ruriks Kornspeicher in Brand und zog sich wieder zurück. Wie nicht anders zu erwarten, war das der entscheidende Schlag. Als es Winter wurde, war Rurik gezwungen, auf den Knien vor Svens Tor zu rutschen und um Nahrung zu betteln, damit seine Leute nicht verhungern mussten. Sven ließ ihn eine Weile draußen herumkriechen, dann teilte er reichlich Getreide aus.
Als sie die Halle betraten, herrschte dort bereits großer Trubel. Es wurde getuschelt, gelacht, man begrüßte sich lautstark – das leutselige Getue bedeutender Persönlichkeiten, die einander zeigen wollen, wie wichtig sie sind. Man hatte die übliche Einrichtung weggeräumt und an einem Ende der Halle zehn Stühle im Halbkreis aufgestellt. An den Längsseiten standen zwei weitere Stuhlreihen – für die Kläger und die Beklagten – einander gegenüber. Die meisten Plätze waren schon besetzt. Aufmerksame Diener huschten umher, schenkten Bier nach und boten den zehn Vorsitzenden Schiedsleuten große Servierplatten mit Häppchen an. Acht der zehn Schiedsleute waren Frauen. Die übrigen beiden (Ulfar Arnesson und ein anderer Mann, den Hal nicht kannte) waren Familienoberhäupter, deren Frauen gestorben waren und die deshalb die Pflichten des Schiedsherrn übernommen hatten. Nur die beiden Häuser, über die verhandelt werden sollte – Sven und Hakon -, waren nicht vertreten. In der Runde zeigte sich ansonsten die ganze Vielfalt des Tals: die rosigen Gesichter, blonden Schöpfe, dicken Bäuche und breiten Hinterteile der Häuser aus dem Untertal sowie aus dem Obertal schlankere, drahtigere, dunkelhaarige und schwarzäugige Gestalten. Jedes Ratsmitglied trug seine eigenen Familienfarben und unterhielt sich angeregt mit seinen Nachbarn. Es war eine eindrucksvolle, lärmende und einschüchternde Runde.
Hal, Astrid und Leif nahmen auf der Klägerseite Platz, ihre fünf Begleiter stellten sich hinter ihnen an der Wand auf.
Die Stühle gegenüber waren noch leer. Zuschauer aus Ruriks Haus und die Begleiter der Schiedsherren und -frauen kamen herein und nahmen in einigem Abstand Aufstellung. Hal hielt nach Aud Ausschau, aber sie war nirgends zu sehen.
Nun verließ der weißbärtige Ulfar Arnesson seinen Platz und eilte zu ihnen herüber, nahm Astrids Hand mit demonstrativer Vertraulichkeit. »Ach ja, teure Cousine, nun ist es also doch dazu gekommen.Wie schade, dass meine Vermittlung nichts genützt hat! Aber ich bin sicher, dass heute alles zu eurer Zufriedenheit ausgehen wird.«
Astrid lächelte matt. »Das hoffen wir auch. Wie geht es der kleinen Aud? Wir freuen uns schon darauf, sie im Winter bei uns aufzunehmen.«
Ein Schatten huschte über Ulfars milde Miene, sein Blick wurde ein wenig abweisend. »Ach richtig, ich hatte ganz vergessen, dass wir darüber gesprochen hatten! Bitte entschuldige, aber ich habe meine Pläne geändert. Ragnar Hakonsson hat meine Tochter eingeladen, den Winter bei ihm zu verbringen, und ich habe dieses Angebot natürlich dankbar angenommen. Seeluft ist ja bekanntlich sehr gesund. Abgesehen davon muss das Mädel nicht annähernd so weit reisen und vielleicht ist sie dort auch ein ganz klein bisschen komfortabler untergebracht, hm? Schließlich sind die Hakonssons
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