Vampir-Expreß
können sich gratulieren, mein Lieber.«
»Dann werde ich nicht zu einem Vampir?«
»Nein.«
Dragan verdrehte die Augen. Auf seinem Gesicht schien die Sonne aufzugehen. Seine Augen strahlten, er war erleichtert, und ein glückliches Lächeln umspielte seine Lippen. Sehr schnell jedoch nahmen seine Züge wieder einen ernsten Ausdruck an. »Dann bin ich also wieder einsatzbereit?«
»Denken Sie an Ihre linke Hand.«
»Ich werde mir einen neuen Verband machen lassen.«
»Wird wohl am besten sein.«
Dragan schaute sich um. Seine Mundwinkel zuckten, als er sagte:
»Diese verdammten Blutsauger haben Vera mitgenommen. Sie ist hilflos. Ich weiß nicht, ob wir sie noch einmal als normalen Menschen sehen werden.«
»Ja, das ist die Frage.«
Er senkte den Kopf, und ich stand wieder auf. Diesmal vorsichtiger. Es klappte auch besser. Vielleicht konnte ich irgendwo eine Schmerztablette ergattern, außerdem musste Dragan einen frischen Verband bekommen. Der alte sah schon lebensgefährlich aus.
»Was haben Sie denn alles gemacht?« fragte er mich.
Ich lachte laut. »So einiges«, erklärte ich ihm. »Jedenfalls habe ich im Gepäckwagen festgestellt, dass die fünf Särge nicht mehr geschlossen sind. Das heißt, die Blutsauger haben ihre Totenkisten verlassen. Wir haben es zum Glück nur noch mit vier von ihnen zu tun, einen habe ich nämlich erledigen können.«
»Wie das?«
Ich berichtete mit knappen Worten, und Dragan hörte staunend zu. »So einfach ist das?« fragte er.
»Nicht ganz. Nehmen Sie die Vampire nur nicht auf die leichte Schulter, Dragan.«
»Das weiß ich.«
»Und jetzt kommen Sie. Wir wollen uns verarzten lassen.«
»Was machen wir danach?«
»Vampire suchen.«
Er nickte.
Ich hatte noch eine Frage. »Besitzen Sie nicht auch Waffen, die Sie gegen die Blutsauger einsetzen wollten?«
»Ja, einen Pfahl aus Eichenholz.«
»Holen Sie ihn!«
Er schaute mich groß an »Meinen Sie wirklich, John?«
»Und wie ich das meine. Vielleicht gebe ich Ihnen auch meine Beretta. Sie ist mit geweihten Silberkugeln geladen, und denen hat ein Vampir auch nichts entgegenzusetzen.«
»Wenn Sie das sagen, John.«
Wir fanden einen der zahlreichen Helfer, die sich um das Wohl der Passagiere kümmerten. Natürlich wurden Fragen gestellt, doch Dragan wich ihnen geschickt aus. Er habe sich eben verletzt, das war es. Der junge Rumäne bekam einen neuen Verband. Er wurde allerdings so angelegt, dass er seine linke Hand noch bewegen konnte, denn das war wichtig.
Ich schluckte eine Tablette gegen Kopfschmerzen und reinigte mit einem feuchten Lappen die Schürfwunde hinter dem linken Ohr. Jetzt fühlte auch ich mich wieder besser.
»Suchen wir jetzt die Vampire?« fragte Dragan, als wir wieder unter uns waren.
»Was sonst?« erwiderte ich.
***
Seit seine Frau in der kalten Erde lag, hatte der Mann das Lachen verlernt. Er lebte nur noch für seine Rache. Jetzt noch stärker als vor dem Tod der geliebten Marie wollte er die verdammte Vampirbrut jagen, denn er hatte eine große Verpflichtung übernommen. Dieser Mann war Marek, der Pfähler!
Ein Mensch, den das Leben in den Karpaten gezeichnet hatte. Still, verschlossen, misstrauisch. Aber wer ihn als Freund besaß, konnte sich hundertprozentig auf ihn verlassen.
Die Falten in seinem Gesicht waren in den letzten Monaten noch schärfer hervorgetreten, der Mund schien schmaler geworden zu sein, und die Augen hatten einen harten Glanz bekommen. Seinem Beruf als Schmied ging er wie früher nach, doch er hatte sich damit abgefunden, nicht jeden Tag zu arbeiten. Nur wenn er unbedingt musste und Geld brauchte.
Marek lebte in Petrila, einem kleinen Städtchen, das mitten in den Karpaten lag. Praktisch in einem Hochtal, und es war von hohen, zum Teil dichtbewaldeten Bergen umgeben, die wie eine düstere Mauer wirkten und es Fremden schwer machten, den Weg nach Petrila zu finden.
So wie Marek waren zahlreiche Einwohner dieses Ortes. Anders als viele Rumänen, denn die Menschen in Petrila wussten, dass es Vampire gab. Sie waren in den letzten Jahren oft genug von ihnen terrorisiert worden und hatten sich mit dieser schrecklichen Tatsache abgefunden. Allerdings kämpften sie auch.
Sie standen Marek zur Seite, und sie hatten auch ihrem Bürgermeister Mirca zur Seite gestanden, bis er durch die Kugelgarbe einer Maschinenpistole getötet worden war.
Auch die Mörderin hatte es erwischt. Sie lag ebenso in der Erde wie der Bürgermeister, nur war sie längst zu Staub zerfallen.
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