Vampir-Legende
finden?«
»Ich schließe es zumindest nicht aus.«
»Das ist möglich. Anschauen werden wir es uns auf jeden Fall. In New Orleans wird ja die Nacht zum Tag gemacht. Vielleicht schaffen wir es noch heute.«
»Ich frage Abe.«
Die Tasche nahm ich mit und stellte sie wieder an ihren Platz. Zwar würde man meine Fingerabdrücke darauf finden, aber das ließ sich leicht erklären.
Abe war wütend. Er kam mit seinem Kollegen nicht zurecht. Cartres war sauer, weil er kaum Informationen erhielt, aber Douglas konnte es sich beim jetzigen Stand der Dinge einfach nicht leisten, ihn einzuweihen.
Ich schlug ihm vor, von hier zu verschwinden.
»Das habe ich Cartres auch gesagt.«
»Wie reagierte er?«
»Ruchend.«
»Stört uns das?«
»Nein.«
»Dann komm.«
»Moment noch.« Abe ging dorthin, wo er den Kollegen fand und machte ihm klar, daß wir drei hier nichts mehr zu suchen hatten. Wir würden uns melden, und Cartres mußte zähneknirschend nachgeben, denn dienstrangmäßig stand Douglas über ihm, zudem war er mit einer Sonderaufgabe betreut worden, und die ließ ihm einige Freiheiten.
Wir waren froh, den Schauplatz des Geschehens hinter uns zu lassen.
Durch ein Spalier von Neugierigen schritten wir, beantworteten keine Fragen und schwiegen so lange, bis wir das kleine Boot erreicht hatten.
»So, jetzt mal zur Sache, John«, sagte der G-man. »Ich kann euch ja verstehen, trotzdem kam der Aufbruch für mich ein wenig überraschend und auch hektisch.«
»Da gebe ich dir recht.«
»Und ich kenne euch. Was ist der Grund gewesen?«
Ich berichtete ihm, was ich gefunden hatte: Er war auch fremd hier und kannte das Hotel nicht, war aber mit uns einer Meinung, daß wir es uns ansehen sollten.
»Das schaffen wir noch in dieser Nacht – oder?«
»Du bist aber hektisch, John.«
»Manchmal schon.«
»Brennt es?«
»Nicht ganz, aber ich spüre schon ein gewisses Feuer.«
»Okay, dann machen wir uns auf die Socken. Wir werden ein Taxi nehmen, sind aber mehr als eine Stunde unterwegs.«
»Wird in dieser Stadt nicht auch die Nacht zum Tag gemacht?«
Der G-man grinste. »Ich hörte davon.«
Wenig später waren wir unterwegs. Diesmal schneller. Unser Boot zerschnitt die Wellen und schleuderte das Spritzwasser über Bord. Der Motor vibrierte, und ich verglich ihn mit der eigenen Unruhe, die mich erfaßt hielt…
***
Der Knabe mit den Rasta-Zöpfen war zwar der kleinste unter den dreien, er fühlte sich aber als größter. Sein Mund war beinahe so geformt wie ein Entenschnabel. Immer wenn er sprach, rückte er beide Lippen nach vorn, und es klebten zwischen ihnen stets dünne Speichelfäden.
»Seid ihr auch Schwuchteln?« fragte er und hatte den Kopf dabei schief gelegt. Mit den Fingerspitzen der linken Hand trommelte er auf den dunklen Handlauf.
Igor stand direkt vor ihm. »Bitte…?«
»Ob ihr Schwuchteln seid?«
Igor drehte den Kopf. Er fragte seinen Bruder. »Kennst du das Wort, Jacques?«
»Nein, kenne ich nicht.«
»Lulu ist eine Schwuchtel«, erklärte der Rasta-Mann. »Wißt ihr jetzt Bescheid?«
»Nein, auch nicht!«
Die drei fühlten sich auf den Arm genommen. Außerdem gefielen ihnen die Brüder nicht. Sie paßten einfach nicht in die Gegend, was schon allein an ihrer Kleidung lag, den schwarzen Jacken, den hellen Rüschenhemden mit den bauschigen Schleifen unter den Hälsen, und auch die Gesichter der beiden paßten den Typen nicht.
Andere Gäste hatten die Gelegenheit genutzt und schnell bezahlt. Sie schlichen sich davon. Nur Lulu und der Klavierspieler blieben zurück.
Lulu, weil er sich nicht traute, und der Klavierspieler deshalb, weil er in seinem Alter keine Furcht mehr spürte. Gelassen saß er vor dem Kasten und sog hin und wieder an seiner billigen Zigarre. Er hatte sogar seinen schwarzen Hut mit steifer Krempe aufgesetzt und sich vom Nachbartisch nichtgeleerte Gläser besorgt.
»Wir wollen Spaß«, sagte Orry.
»Warum auch nicht?«
»Aber mit euch.«
»Nein!«
Die drei schauten sich an. Sie hatten zwar die klare Antwort vernommen, allein, sie würden sie nicht akzeptieren, denn sie waren hier die Macher und nicht die anderen. Sie waren es, die diktierten, was laufen sollte oder nicht. Und wenn sie Menschen fanden, die schwächer waren als sie, nutzten sie es aus. Zudem standen sie unter Dampf und lechzten nach ihrem Spaß, der in Wirklichkeit einer brutalen Gewalt gleichkam.
»Also nicht?«
»Du hast es gehört, Orry.«
Der Schwarze grinste seine Kumpane an. »Da, er hat mich
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