Vampire Academy 01 ● Blutsschwestern
keineswegs davon überzeugt. „Wenn ich nichts falsch machen würde, hätte ich Sie inzwischen bewusstlos geschlagen. ʺ
„Unwahrscheinlich. Ihre Bewegungen sind allesamt korrekt, aber dies ist das erste Mal, dass Sie es wirklich versucht haben. Ich mache das schon seit Jahren. ʺ
Ich schüttelte den Kopf und verdrehte angesichts seiner Ich-bin ‐ älter-und ‐ klüger-Einstellung die Augen. Er hatte mir einmal erzählt, dass er vierundzwanzig sei.
„Ganz wie Sie meinen, Opa. Können wir es noch mal versuchen? ʺ
„Wir haben keine Zeit mehr. Wollen Sie sich nicht fertig machen? ʺ Ich betrachtete die staubige Uhr an der Wand und merkte auf. Es war fast Zeit für das Bankett. Bei dem Gedanken wurde mir förmlich schwindelig. Ich fühlte mich wie Cinderella, nur ohne die Kleider.
„Hölle, ja, richtig. ʺ
Er ging vor mir her. Während ich ihn aufmerksam musterte, wurde mir klar, dass ich mir diese Gelegenheit nicht entgehen lassen konnte. Ich sprang ihn von hinten an und positionierte mich genau so, wie er es mich gelehrt hatte. Ich hatte das Überraschungsmoment auf meiner Seite. Alles war perfekt, und er würde mich nicht einmal kommen sehen.
Bevor ich ihn berühren konnte, wirbelte er jedoch mit einer lächerlich hohen Geschwindigkeit herum. Mit einer einzigen geschickten Bewegung packte er mich, als wöge ich überhaupt nichts, warf mich auf den Boden und hielt mich dort fest.
Ich stöhnte. „Ich habe nichts falsch gemacht! ʺ
Er sah mir gelassen in die Augen, während er mich an den Handgelenken festhielt, aber er wirkte nicht so ernst wie während der Lektion. Er schien das Ganze witzig zu finden. „Der Schlachtenschrei hat Sie irgendwie verraten. Versuchen Sie beim nächsten Mal, nicht so zu brüllen. ʺ
„Hätte es wirklich einen Unterschied gemacht, wenn ich still geblieben wäre? ʺ
Er dachte darüber nach. „Nein. Wahrscheinlich nicht. ʺ
Ich seufzte laut, immer noch in zu guter Stimmung, um mich von dieser Enttäuschung wirklich klein kriegen zu lassen. Es hatte doch einige Vorteile, über einen solch umwerfenden Mentor zu verfugen ‐ einen, der zufällig dreißig Zentimeter größer und beträchtlich schwerer war als ich. Und dabei rechnete ich nicht einmal seine Stärke mit ein. Er war nicht massig, aber sein Körper besaß eine Menge harter, magerer Muskeln. Wenn ich ihn jemals besiegen konnte, konnte ich jeden besiegen.
Ganz plötzlich wurde mir bewusst, dass er mich noch immer auf den Boden gedrückt hielt. Die Haut seiner Finger blieb warm auf meinen Handgelenken. Sein Gesicht war nur Zentimeter von meinem entfernt, seine Beine und sein Oberkörper drückten sich auf mich. Einige .Strähnen seines langen, braunen Haares umspielten sein Gesicht, und er schien mich seinerseits wahrzunehmen, beinahe so, wie er es an jenem Abend in dem Salon getan hatte.
Und, oh Gott roch dieser Mann gut! Das Atmen fiel mir plötzlich schwer, und das hatte nichts mit dem Training zu tun oder damit, dass meine Lungen zerquetscht wurden.
Ich hätte alles darum gegeben, in diesem Augenblick in der Lage zu sein, seine Gedanken zu lesen. Seit jenem Abend im Salon hatte ich immer wieder bemerkt, dass er mich mit demselben aufmerksamen Ausdruck beobachtete. Während des Trainings selbst kam das niemals vor ‐ das war Job. Aber vorher und nachher taute er manchmal ein klein wenig auf, und dann sah ich, dass er mich auf eine Weise betrachtete, die beinahe bewundernd war. Und manchmal, wenn ich wirklich, wirklich Glück hatte, lächelte er mich auch an. Und zwar war es sein echtes Lächeln ‐ nicht das schiefe Grinsen, das die sarkastischen Bemerkungen begleitete, die wir so häufig austauschten. Ich hätte es niemandem eingestanden ‐ nicht Lissa, nicht einmal mir selbst aber an manchen Tagen lebte ich für dieses Lächeln. Es ließ sein Gesicht aufleuchten. „Himmlisch ʺ war nicht länger ein passender Ausdruck, um ihn zu beschreiben.
In der Hoffnung, ruhig zu wirken, versuchte ich, eine professionelle und mit dem Job des Wächters verbundene Bemerkung zu machen. Stattdessen sagte ich aber:
„Also, ähm....haben Sie noch irgendwelche anderen Bewegungen, die Sie mir zeigen wollen? ʺ
Seine Lippen zuckten, und einen Moment lang dachte ich, ich würde dieses Lächeln bekommen. Mein Herz tat einen Satz. Dann drängte er das Lächeln mit sichtlicher Anstrengung zurück und wurde wieder zu meinem Mentor. Er rutschte von mir herunter, hockte sich auf die Fersen und stand auf. „Kommen Sie. Wir
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