Vampire Academy 03 ● Schattenträume
wandte den Blick ab. Ich hätte klüger sein und Alice nicht zuhören sollen. Sie war kaum eine verlässliche Informationsquelle, selbst wenn sie schon seit einiger Zeit hier lebte. Und doch.... ihre verdrehte Logik ergab Sinn. Wenn Schutzzauber Strigoi fernhielten, warum dann nicht auch Geister? Nun gut, Strigoi waren Tote, die zurückgekehrt waren, um auf Erden zu wandeln, aber ihr Argument klang vernünftig: Sie alle waren tot. Doch Christian und ich hatten ebenfalls recht: Die Schutzzauber rund um die Schule waren solide. Es erforderte eine große Macht, um Schutzzauber aus-zulegen. Nicht jedes Moroi-Haus konnte welche haben, aber Orte wie Schulen und der Königshof ließen ihre Schutzzauber sorgfältig überwachen.
Der Königshof ....
Ich hatte nicht die geringsten Geisterbegegnungen gehabt, während wir dort gewesen waren, doch war diese Zeit unfassbar stressig gewesen. Wenn meine Erscheinungen stressbedingt waren, wären dann nicht der Königshof und die Begegnungen mit Victor und der Königin großartige Anlässe für solche Erscheinungen gewesen? Die Tatsache, dass ich nichts gesehen hatte, schien die Theorie zu widerlegen. Ich hatte keine Geister gesehen, bis wir auf dem Flughafen von Martinville gelandet waren.
Der über keine Schutzzauber verfügte.
Ich keuchte beinahe auf. Der Hof hatte starke Schutzzauber. Ich hatte keine Geister gesehen. Auf dem Flughafen, der Teil der menschlichen Welt war, hatte es keine Schutzzauber gegeben. Dort war ich mit Geistern geradezu bombardiert worden. Außerdem hatte ich sie im Flugzeug aufblitzen sehen - das in der Luft nicht mit Schutzzaubern belegt gewesen war.
Ich blickte zu Alice und Christian hinüber. Sie waren fast fertig.
Konnte sie recht haben? Hielten Schutzzauber Geister fern? Und wenn ja, was ging dann mit der Schule vor? Wenn die Schutzzauber intakt waren, sollte ich nichts sehen - genau wie bei Hof. Wenn die Schutzzauber aber zerstört waren, müsste ich von Geistern nur so überrannt werden - genau wie am Flughafen. Stattdessen lag die Akademie irgendwo in der Mitte. Ich hatte nur gelegentlich Sichtungen.
Das ergab doch keinen Sinn. Das Einzige, was ich mit Bestimmtheit wusste, war dies: Wenn mit den Schutzzaubern der Schule etwas nicht stimmte, dann war ich nicht die Einzige, die in Gefahr schwebte.
Ich konnte kaum erwarten, dass mein Tag endete. Ich hatte Lissa versprochen, mich nach der Schule mit ihr und den anderen zu treffen. Es hätte Spaß machen sollen, aber die Minuten schleppten sich dahin. Ich war zu rastlos. Als die Sperrstunde kam, trennte ich mich von ihnen und lief in mein Wohnheim zurück. Ich fragte die Frau in der Pförtnerloge, ob sie für mich in Dimitris Zimmer anrufen könne - Schülern war es verboten -, weil ich eine „dringende” Frage an ihn hätte. Sie hatte gerade den Hörer aufgenommen, als Celeste vorbeikam.
„Er ist nicht da”, eröffnete sie mir. Sie hatte eine große Prellung an der Seite des Gesichtes. Irgendein Novize hatte die Oberhand über sie gewonnen - ein Novize, der nicht ich war. „Ich glaube, er wollte in die Kapelle gehen. Sie werden morgen mit ihm sprechen müssen - vor der Sperrstunde schaffen Sie es nicht mehr bis zur Kapelle und wieder zurück.”
Ich nickte gehorsam und tat so, als ginge ich zum Schülerflügel.
Stattdessen machte ich mich, sobald Celeste außer Sicht war, wieder auf den Weg nach draußen und lief zur Kapelle. Sie hatte recht. Ich würde es nicht bis zur Sperrstunde schaffen, aber hoffentlich konnte Dimitri dafür sorgen, dass ich keinen Ärger bekam, wenn ich in mein Wohnheim zurückkehrte.
Die Türen der Kapelle waren nicht verschlossen, als ich sie erreichte. Ich trat ein und sah schon von der Eingangshalle aus, dass Kerzen brannten und die Goldornamente im Kirchenschiff funkeln ließen. Der Priester musste wohl noch arbeiten. Doch als ich dort hereinkam, war keine Spur von ihm zu sehen. Aber Dimitri war da.
Er saß in der letzten Reihe. Er betete nicht oder kniete oder so. Er saß einfach nur da und wirkte ziemlich entspannt. Obwohl er kein praktizierendes Mitglied der Kirche war, hatte er mir erzählt, er finde hier häufig Frieden. Es gab ihm eine Chance, über sein Leben und die Dinge nachzudenken, die er getan hatte.
Ich war eigentlich immer der Meinung, dass er gut aussah, aber in diesem Augenblick strahlte er etwas aus, das mir beinahe den Atem stocken ließ. Vielleicht lag es am Hintergrund, an all dem polierten Holz und den farbenprächtigen Ikonen.
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