Vampire Academy 03 ● Schattenträume
derjenige, der mir immer etwas gab, seien es Ratschläge oder Unterweisungen. Aber ich gab ihm auch etwas, etwas, das schwerer zu beschreiben war - eine Verbindung mit einer anderen Person.
„Vertrauen Sie mir?”, fragte ich ihn.
Das Zögern war nur kurz. „Ja.”
„Dann vertrauen Sie mir jetzt auch - und machen Sie sich nur dieses eine Mal keine Sorgen um mich.”
Ich machte einen Schritt aus der Reichweite seines Arms heraus, und er sagte nichts mehr und versuchte auch nicht, mich aufzuhalten.
Nachdem ich den Raum durchquert hatte, in dem meine Anhörung stattgefunden hatte, machte ich mich auf den Weg zum Haupteingang des Gebäudes und warf die Überreste meiner heißen Schokolade im Vorbeigehen in einen Abfallbehälter.
Bei dem Zwischenfall auf dem Campus hatte es nur drei weitere Zeugen gegeben. Doch schienen alle darüber Bescheid zu wissen, als ich später in den Gemeinschaftstrakt zurückkam. Der Unterricht war zu Ende, und viele Schüler liefen durch die Flure, um irgendwo zu lernen oder Tests zu wiederholen oder was auch immer. Sie versuchten, ihre Blicke und ihr Getuschel zu verbergen, machten ihre Sache aber nicht sehr gut. Jene, die Blickkontakt suchten, schenkten mir entweder ein schmallippiges Lächeln oder sahen sofort wieder weg. Wunderbar.
Ohne psychische Verbindung zu Christian hatte ich keinen Schimmer, wo ich ihn suchen sollte. Ich spürte, dass Lissa in der Bibliothek war, und überlegte, dass dies ein guter Ort wäre, um mit der Suche anzufangen. Auf dem Weg dorthin rief ein Junge hinter mir her.
„Du hast es ein bisschen zu weit getrieben, wie?”
Ich drehte mich um und sah Ryan und Camille einige Schritte hinter mir gehen. Wäre ich ein Junge gewesen, wäre die geziemende Antwort gewesen: „Du meinst, mit deiner Mom?” Da ich jedoch kein Junge war und Manieren hatte, erwiderte ich nur: „Keine Ahnung, wovon du redest.”
Ryan beeilte sich, mich einzuholen. „Du weißt genau, was ich meine. Mit Christian. Ich habe gehört, wie du dich bei Stans Angriff benommen hast. Du hättest genauso gut sagen können: ,Hier, nehmen Sie ihn.’ Und dann davonspazieren.”
„Oh, gütiger Gott”, stöhnte ich. Es war schlimm genug, wenn alle über einen redeten, aber warum veränderten sich die Geschichten immer auch noch? „Das ist nicht das, was passiert ist.”
„Ach ja?”, fragte er. „Warum bist du dann zu Alberta gerufen worden?”
„Hör mal”, erwiderte ich und fühlte, wie mir meine Manieren langsam abhanden kamen, „ich habe diese Sache einfach verbockt.... du weißt schon, etwa so wie du vorhin, als du im Flur nicht aufgepasst hast.”
„He”, sagte er und errötete schwach. „Am Ende habe ich es aber geradegebogen - ich habe meine Aufgabe erfüllt.”
„Nennt man das heutzutage so, wenn man sich umbringen lässt?”
„Zumindest war ich kein zimperliches Ding, das sich weigerte zu kämpfen.”
Ich hatte mich nach meinem Gespräch mit Dimitri so ziemlich beruhigt, aber jetzt loderte meine Wut schon wieder auf. Es war wie ein Thermometer, das kurz vor dem Platzen stand. „Weißt du, vielleicht solltest du, statt andere zu kritisieren, mehr auf deine eigenen Wächterpflichten achten.” Ich deutete mit dem Kopf auf Camille. Sie hatte bisher geschwiegen, aber ihr Gesicht zeigte mir, dass sie das alles begierig aufsaugte.
Ryan zuckte die Achseln. „Ich kann beides tun. Shane ist weiter hinter uns, und der Bereich vor uns ist sicher. Keine Türen. Ganz einfach.” Er tätschelte Camilles Schulter. „Sie ist sicher.”
„Es ist einfach, einen solchen Ort zu sichern. In der echten Welt mit echten Strigoi würdest du nicht so gut abschneiden.”
Sein Lächeln verblasste. Arger glomm in seinen Augen auf. „Richtig. So wie ich es gehört habe, hast du da draußen auch keinen so guten Job gemacht, zumindest nicht, soweit es Mason betraf.”
Es war eine Sache, mich wegen des Zwischenfalls mit Stan und Christian zu verspotten. Aber anzudeuten, ich trüge die Schuld an Masons Tod? Das war inakzeptabel. Ich war diejenige, die Lissa zwei Jahre in der menschlichen Welt beschützt hatte. Ich war auch diejenige, die in Spokane zwei Strigoi getötet hatte. Ich war die einzige Novizin in dieser Schule mit Molnija-Markierungen, den kleinen Tätowierungen, die ein Wächter für jeden getöteten Strigoi bekam. Ich hatte auch gewusst, dass es wegen Mason einiges an Getuschel geben würde. Aber bisher hatte niemand wirklich etwas zu mir gesagt. Die Vorstellung, dass Ryan oder
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