Vampire Academy 04
mit ihren zukünftigen Wächtern bekannt gemacht: einem erfahrenen Burschen namens Grant und der „jungen Dame“, die Serena hieß. Die beiden waren durchaus nett gewesen, aber die Parallelen zu Dimitri und mir hatten Lissa einfach überwältigt. Ihre Dienste anzunehmen war ihr wie ein Verrat an uns vorgekommen, und doch hatte sie einfach genickt und sich bei Tatiana bedankt.
Später hatte Lissa erfahren, dass Serena ursprünglich als Wächterin für ein Mädchen vorgesehen war, das sie schon ihr ganzes Leben lang gekannt hatte. Das Mädchen war keine Royal, aber manchmal wurden die Wächter, je nach Verfügbarkeit, auch Moroi ohne königliche Abstammung zugeteilt – dann aber immer niemals mehr als einem. Als es jedenfalls darum ging, für Lissas Schutz geeignete Wächter zu finden, hatte Tatiana kurzerhand Serena von dem Job bei ihrer Freundin abgezogen. Serena hatte gelächelt und Lissa erklärt, es spiele keine Rolle. Die Pflicht gehe vor, hatte sie gesagt, und sie sei glücklich, ihr zu dienen. Trotzdem hatte Lissa sich miserabel gefühlt, denn sie wusste, dass es für beide Mädchen bestimmt hart war – und schrecklich unfair. Und da sah man es wieder einmal: Die Macht wurde ungerecht verteilt, ohne jemanden, der sie im Gleichgewicht halten konnte oder wollte.
Nach dieser Begegnung hatte Lissa ihre eigene Duldsamkeit verflucht. Wenn sie schon nicht den Mut gehabt hatte, mir zu folgen, dachte sie, dann hätte sie zumindest darauf bestehen sollen, dass Tatiana ihr stattdessen meine Mutter zuwies. Dann hätte Serena zu ihrer Freundin zurückkehren können, und wenigstens eine Freundschaft in dieser Welt wäre intakt geblieben.
Der Martini schien gleichzeitig den Schmerz zu betäuben und ihren Kummer noch zu vertiefen, was für Lissa jedoch absolut keinen Sinn ergab. Auch egal, dachte sie. Und als sie einen Kellner vorbeikommen sah, winkte sie ihn heran, um einen neuen Drink zu bestellen.
„He, kann ich – Ambrose?“
Staunend starrte sie den Mann vor ihr an. Wenn es einen Badehosenkalender der heißesten Dhampir-Männer gegeben hätte, wäre dieser Typ garantiert auf dem Cover gelandet (gleich nach Dimitri natürlich – aber andererseits war ich da wohl etwas voreingenommen). Der Name des Mannes war Ambrose, und Lissa und ich waren ihm auf unserer gemeinsamen Reise zum Königshof begegnet. Er war braun gebrannt und unter seinem Button-down-Hemd zeichneten sich seine wohlgeformten Muskeln ab. Er war bei Hofe ein besonderes Kuriosum, ein Dhampir, der den Wächterdienst abgelehnt hatte und dafür alle möglichen Aufgaben übernahm. Er arbeitete zum Beispiel als Masseur und hatte – wenn man den Gerüchten glauben konnte – „romantische Begegnungen“ mit der Königin. Bei dem Gedanken daran wurde mir immer ganz schlecht, und dabei hatte ich mich in meinem Leben schon mit einigen ziemlich widerwärtigen Dingen auseinandersetzen müssen.
„Prinzessin Dragomir“, sagte er strahlend und ließ seine perfekt weißen Zähne blitzen. „Welch freudige Überraschung.“
„Wie ist es Ihnen so ergangen?“, fragte sie, ehrlich erfreut, ihn zu sehen.
„Gut, gut. Schließlich habe ich den besten Job der Welt. Und wie geht es Ihnen?“
„Großartig“, antwortete sie.
Ambrose hielt inne und beäugte sie. Das attraktive Grinsen erlosch keineswegs, aber Lissa konnte erkennen, dass er anderer Meinung war. Sie sah die Missbilligung in seinen Zügen. Wenn Avery sie bezichtigte, zu viel zu trinken, war das eine Sache. Aber ein hübscher Dhampir-Dienstbote? Inakzeptabel. Lissas Ausdruck wurde eisig, und sie hielt ihm ihr Glas vor die Nase.
„Ich brauche noch einen Martini“, sagte sie, und in ihrer Stimme lag der ganze Hochmut eines perfekten Royals.
Er spürte die Veränderung, und sein freundliches Lächeln verwandelte sich in eins von höflicher Gleichgültigkeit. „Kommt sofort.“ Er machte eine kleine Verbeugung vor ihr und ging in Richtung Theke.
„Mannomann“, sagte Avery, die ihn bewundernd anschmachtete. „Warum hast du uns deinem Freund nicht vorgestellt?“
„Er ist nicht mein Freund“, blaffte Lissa. „Er ist niemand.“
„Ganz meiner Meinung“, erwiderte Adrian und legte einen Arm um Avery. „Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah?“ Hätte ich es nicht besser gewusst, hätte ich geschworen, dass sich in seinen leutseligen Tonfall ein Hauch berechtigter Eifersucht mischte. „Habe ich mich nicht mächtig ins Zeug gelegt, um dich bei dem großen Frühstück mit
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