Vampire Academy 05
einige Sekunden herrschte Chaos. Lissa war so nah. Es war, als rufe sie nach mir, und ich brannte vor Ungeduld, während ich nur darauf wartete, dass die anderen den Flur frei machten. Mein Team befand sich im hinteren Teil und überließ das Kämpfen der anderen Gruppe. Ich sah Strigoi und Wächter gleichermaßen fallen und versuchte, mich nicht davon ablenken zu lassen. Kämpfe jetzt, trauere später. Lissa und Christian. Ich musste mich auf sie konzentrieren.
„Dort“, sagte Hans und zog an meinem Arm. Vor uns hatte sich eine Lücke gebildet. Es waren noch immer jede Menge Strigoi im Flur, aber sie waren jetzt hinreichend abgelenkt, um es meinen Begleitern und mir zu ermöglichen hindurchzuschlüpfen. Wir liefen den Flur hinunter, der in einen großen, leeren Raum im Herzen des Lagerhauses führte. Müll und Trümmer waren alles, was von den Waren übrig geblieben war, die hier einst gelagert hatten.
Mehrere Türen zweigten von dem Raum ab, aber jetzt brauchte ich das Band nicht mehr, um zu wissen, wo sich Lissa aufhielt. Drei Strigoi standen vor einer der Türen Wache. Also. Vier Schichten von Sicherheit. Dimitri hatte also noch einen oben drauf gesetzt. Es spielte aber keine Rolle. Zu meiner Gruppe gehörten zehn Personen. Die Strigoi knurrten und wappneten sich gegen unseren Angriff. Durch ein unausgesprochenes Signal verstrickte die Hälfte meiner Gruppe sie in einen Kampf. Die Übrigen von uns traten die Tür ein.
Trotz meiner intensiven Konzentration darauf, Lissa und Christian zu erreichen, hatte in meinem Hinterkopf immer ein einziger winziger Gedanke weiter getanzt. Ich hatte Dimitri bei keiner der Strigoi-Gruppen gesehen, die uns begegnet waren. Da meine ungeteilte Aufmerksamkeit unseren Angreifern galt, hatte ich auch nicht in Lissas Kopf schlüpfen können, um unsere Vermutung zu bestätigen. Aber ich war fest davon überzeugt, dass er sich noch immer in dem Raum befand. Gewiss war er bei ihr geblieben, da er ja wusste, dass ich kommen würde. Er würde darauf warten, sich mir entgegenstellen zu können.
Einer von ihnen stirbt heute Nacht. Lissa oder Dimitri.
Da wir unser Ziel erreicht hatten, benötigte ich den zusätzlichen Schutz nicht länger. Hans pfählte den ersten Strigoi, dem er begegnete, zwängte sich an mir vorbei und stürzte sich ins Getümmel. Der Rest meiner Gruppe tat es ihm nach. Wir ergossen uns geradezu in den Raum, und wenn ich zuvor gedacht hatte, es herrsche Chaos, dann war das nichts im Vergleich zu dem, was uns jetzt bevorstand. Wir alle – Wächter und Strigoi – passten kaum in diesen Raum hinein, was bedeutete, dass wir uns dicht aneinanderdrängten. Ein weiblicher Strigoi – die Frau, die Dimitri zuvor geohrfeigt hatte – kam auf mich zu. Ich kämpfte sozusagen auf Autopilot und registrierte kaum, wie mein Pflock ihr Herz durchstach. In diesem Raum voller Geschrei und Tod gab es nur drei Leute auf der Welt, die jetzt für mich zählten: Lissa, Christian und Dimitri.
Endlich hatte ich ihn gefunden. Dimitri stand mit meinen beiden Freunden vor der gegenüberliegenden Wand. Niemand kämpfte gegen ihn. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt, wie ein König, der sein Königreich musterte, während seine Soldaten gegen den Feind kämpften. Sein Blick fiel auf mich, seine Miene wirkte erheitert und erwartungsvoll. Dies also war der Ort, an dem es enden würde. Wir wussten es beide. Ich bahnte mir einen Weg durch die Menge und wich immer wieder Strigoi aus. Meine Mitstreiter kämpften an meiner Seite und töteten jeden, der mir im Weg stand. Ich überließ sie ihrer Schlacht und näherte mich meinem Ziel. All dies, alles, was geschehen war, hatte zu diesem Augenblick geführt: dem letzten Showdown zwischen Dimitri und mir.
„Du bist so wunderschön – in der Schlacht“, sagte Dimitri. Seine kalte Stimme erreichte mich mühelos, sogar noch über das Tosen des Kampfes hinweg. „Wie ein rächender Engel, gekommen, um himmlische Gerechtigkeit zu üben.“
„Komisch“, erwiderte ich und nahm meinen Pflock fester in die Hand. „Das ist tatsächlich irgendwie der Grund, warum ich hier bin.“
„Engel fallen aber, Rose.“
Ich hatte ihn beinahe erreicht. Durch das Band spürte ich das kurze Aufwallen eines Schmerzes, der von Lissa kam. Eine Art Brennen. Niemand hatte ihr bisher etwas zuleide getan, doch als ich aus dem Augenwinkel sah, wie sich ihre Arme bewegten, begriff ich allmählich, was geschehen war. Christian hatte getan, worum sie gebeten hatte: Er
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