Vampire Academy 06 ● Schicksalsbande
sich anfreundete. Ein Moroi, der Sex mit einem Dhampir hatte? Gewagt. Ein Moroi, der mit einem Dhampir Sex hatte und Blut trank? Schmutzig und demütigend. Ein Moroi, der Sex mit einem Menschen hatte – mit oder ohne Blut? Unbegreiflich.
Es gab wenige Dinge, die mich schockierten oder abstießen. In Hinsicht auf Liebe war ich ziemlich liberal in meinen Ansichten, aber die Vorstellung einer Ehe zwischen einem Menschen und einem Moroi warf mich um. Da spielte es auch keine Rolle, ob der Mensch eine Art Spender war – wie Sarah offenbar – oder jemand, der wie Sydney darüberstand. Moroi und Menschen kamen nicht zusammen. Es war primitiv und falsch, und deswegen geschah es nicht mehr länger. Na ja, zumindest nicht dort, wo ich herkam.
Im Gegensatz zu euren Leuten erhalten wir immer noch die alten Sitten lebendig.
Das Komische war, dass Sydney, wie unrecht mir dies alles auch erscheinen mochte, mit ihren Vorbehalten gegen Vampire noch stärker davon betroffen sein musste. Ich nahm jedoch an, dass sie darauf vorbereitet gewesen war und deshalb ihre kühle Miene so gut aufrechterhalten konnte. Sie war nicht aus heiterem Himmel getroffen worden – so wie Dimitri und ich, weil ich mit einiger Sicherheit glaubte, dass er meine Gefühle teilte. Er war einfach geschickter darin, seine Überraschung zu verbergen.
Ein Tumult an der Tür riss mich aus meiner Sprachlosigkeit. Raymond war aufgetaucht, und er war nicht allein. Ein Dhampirjunge von etwa acht Jahren saß auf seinen Schultern, und ein Moroimädchen, ungefähr im gleichen Alter, huschte neben ihnen her. Eine hübsche Moroifrau, wahrscheinlich in den Zwanzigern, folgte ihnen, und ihr wiederum folgte ein attraktiver Dhampir, der nicht mehr als zwei Jahre älter sein konnte als ich, wenn nicht sogar gleichaltrig.
Man stellte sich einander vor. Die Kinder waren Phil und Molly, und die Moroifrau hieß Paulette. Alle lebten offenbar hier, aber ich konnte die Beziehungen untereinander nicht genau entschlüsseln, bis auf den Jungen in meinem Alter. Er war Raymonds und Sarahs Sohn Joshua. Er lächelte uns alle frei und offen an – vor allem mich und Sydney. Seine Augen erinnerten mich an die durchdringenden, kristallenen blauen Augen der Ozeras. Nur dass Joshuas Haar von einem rötlichen Blond war, mit helleren, goldenen Strähnchen, während Christians Familie eher zu dunklem Haar neigte. Eine attraktive Mischung, das musste ich zugeben, aber jener verblüffte Teil meines Gehirns erinnerte mich erneut daran, dass er einer Verbindung zwischen einem Menschen und einem Moroi entstammte, also nicht aus der Verbindung zwischen einem Dhampir und einem Moroi, so wie ich. Das Ergebnis war zwar das Gleiche, aber die Mittel erschienen bizarr.
„Ich bringe sie in deinem Zimmer unter“, erklärte Sarah Paulette. „Ihr anderen könnt euch den Dachboden teilen.“
Erst nach einem Augenblick hatte ich begriffen, dass sie mit ihr anderen Paulette, Joshua, Molly und Phil meinte. Ich sah zur Decke auf und bemerkte, dass es tatsächlich so etwas wie einen Dachboden gab, der sich über die Hälfte des Hauses erstreckte. Er schien für vier Personen nicht groß genug zu sein.
„Wir wollen Ihnen keine Ungelegenheiten bereiten“, sagte Dimitri, der meine Überlegungen teilte. Er hatte fast während der ganzen Zeit dieses Waldabenteuers geschwiegen und sich seine Energie für Taten aufgespart, nicht für Worte. „Wir bleiben einfach hier draußen.“
„Machen Sie sich darüber keine Sorgen“, erwiderte Joshua und schenkte mir erneut dieses hübsche Lächeln. „Uns macht das nichts aus. Angeline auch nicht.“
„Wem?“, fragte ich.
„Meiner Schwester.“
Ich verkniff mir eine Grimasse. Fünf von ihnen würden sich dort oben zusammendrängen, damit wir ein Zimmer bekommen konnten. „Danke“, sagte Sydney. „Wir wissen Ihre Freundlichkeit zu schätzen. Und wir werden auch wirklich nicht lange bleiben.“ Abgesehen von ihrer Abneigung gegen die Vampirwelt konnten Alchemisten höflich und charmant sein, wenn sie wollten.
„Wie schade“, bemerkte Joshua.
„Hör auf zu flirten, Josh“, sagte Sarah. „Wollen Sie noch etwas essen, bevor Sie zu Bett gehen? Ich könnte einen Eintopf aufwärmen. Wir haben ihn vorhin schon mit etwas von Paulettes Brot gegessen.“
Bei dem Wort Eintopf kehrten sämtliche meiner Opossumängste mit Macht zurück. „Nicht nötig“, erklärte ich hastig. „Mir würde Brot vollkommen genügen.“
„Mir auch“, stimmte Dimitri mir zu. Ich
Weitere Kostenlose Bücher