Vampire Academy 06 ● Schicksalsbande
stehen.
Nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass alle verstanden hatten, nickte Nathan und deutete mit großartiger Gebärde auf das Publikum. „Lasst die Nominierungen beginnen.“
Einen Augenblick lang geschah gar nichts. Es erinnerte mich irgendwie an meine Schulzeit, wenn ein Lehrer so etwas sagte wie: „Wer möchte seinen Aufsatz als Erster vorlesen?“ Alle warteten darauf, dass ein anderer die Dinge in Gang setzte. Und endlich geschah es auch.
Ein Mann, den ich nicht kannte, stand auf. „Ich nominiere Prinzessin Ariana Szelsky.“
Ariana saß als Prinzessin im Rat und war eine Kandidatin, die man durchaus erwartet hatte. Sie nickte dem Mann huldvoll zu. Ein zweiter Mann, wahrscheinlich aus ihrer Familie, erhob sich ebenfalls und gab die zweite Nominierung ab. Die dritte und letzte Nominierung kam von einem anderen Szelsky – einem, der sehr unerwartet erschien. Er war Arianas Bruder, ein Weltreisender, der sich so gut wie nie bei Hofe aufhielt – und außerdem der Mann war, den meine Mutter bewachte. Janine Hathaway befand sich höchstwahrscheinlich auch in diesem Raum, begriff ich jetzt. Ich wünschte, Lissa würde sich umschauen und sie suchen, aber sie war zu sehr auf das Verfahren konzentriert. Nach allem, was ich durchgemacht hatte, verspürte ich plötzlich eine verzweifelte Sehnsucht danach, meine Mutter zu sehen.
Nach drei Nominierungen erklärte Nathan: „Prinzessin Ariana Szelsky ist als Kandidatin angenommen.“ Schwungvoll und elegant kritzelte er etwas auf ein Papier, das vor ihm lag. „Fahren Sie fort.“
Danach kamen die Nominierungen in rascher Folge. Oft waren es Prinzen und Prinzessinnen, aber auch andere angesehene – und hochrangige – Mitglieder der Familien wurden vorgeschlagen. Der Kandidat für die Ozeras, Ronald, saß nicht für seine Familie im Rat, noch war er jemand, den ich kannte. „Er ist zwar keiner von Tashas idealen Kandidaten“, murmelte Christian Lissa zu. „Aber sie gesteht ihm immerhin zu, dass er kein Idiot ist.“
Auch von den meisten anderen Kandidaten wusste ich nicht viel. Einige, wie Ariana Szelsky, machten einen guten Eindruck auf mich. Andere aber waren eher unter den Kandidaten, die ich immer abstoßend gefunden hatte. Der zehnte Kandidat war Rufus Tarus, Daniellas Cousin. Sie hatte von der Familie Tarus in die der Ivashkovs eingeheiratet und schien ganz entzückt darüber, dass ihr Cousin zum Kandidaten gekürt worden war.
„Ich kann ihn nicht leiden“, sagte Adrian und verzog das Gesicht. „Er erzählt mir immer, dass ich etwas Nützliches mit meinem Leben anfangen solle.“
Nathan notierte Rufus’ Namen, dann rollte er das Papier zusammen. Obwohl nach außen hin der Schein uralter Sitten gewahrt blieb, vermutete ich aber doch, dass im Publikum eine Sekretärin alles, was hier gesprochen wurde, in einen Laptop tippte.
„Also“, erklärte Nathan, „damit wäre die Liste abgeschlossen .... “
„Ich nominiere Prinzessin Vasilisa Dragomir.“
Lissas Kopf ruckte nach links, und durch ihre Augen erkannte ich eine vertraute Gestalt. Tasha Ozera. Sie war aufgestanden und hatte die Worte laut und zuversichtlich ausgesprochen, während sie sich mit ihren eisblauen Augen umsah, als forderte sie jedermann heraus, ihr zu widersprechen.
Der ganze Raum erstarrte. Kein Getuschel, kein Stühlerücken. Nur tiefstes, ungebrochenes Schweigen. Den Gesichtern nach zu urteilen, war der Kandidat der Familie Ozera die zweiterstaunteste Person im Raum. Die Person, die am allermeisten staunte, war natürlich Lissa selbst.
Nathan brauchte einen Augenblick, bis er den Mund wieder schließen und öffnen konnte.
„Das ist nicht .... “
Neben Lissa stand plötzlich Christian auf. „Ich unterstütze die Nominierung.“
Und bevor sich Christian auch nur gesetzt hatte, war schon Adrian auf den Beinen. „Ich bestätige die Nominierung.“
Aller Augen im Raum waren auf Lissa und ihre Freunde gerichtet, und dann drehte sich die Menge wie ein einziges Lebewesen zu Nathan Ivashkov um. Erneut fand er offenbar nur mit Mühe seine Stimme wieder.
„Das“, brachte er schließlich hervor, „ist keine legale Nominierung. Aufgrund ihrer gegenwärtigen Position im Rat ist die Dragomir-Linie bedauernswerterweise nicht in der Lage, eine Kandidatin aufzustellen.“
Tasha, die niemals Angst hatte, in einer großen Menge zu sprechen oder unmögliche Risiken einzugehen, sprang noch einmal auf. Ich sah, dass sie geradezu darauf brannte. Sie eignete sich sehr gut
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