Vampire bevorzugt
wir die Bar an diesem Abend geschlossen hatten, wartete der neue Barkeeper und Rausschmeißer an der Hintertür auf mich, bis ich mir den Mantel angezogen und die Schlüssel aus der Tasche geholt hatte.
Ich schloss die Wagentüren auf, und er kletterte hinein.
»Danke, dass ich nun doch bei dir zu Hause schlafen darf«, sagte Charles.
Ich bemühte mich um eine höfliche Antwort. Es war sinnlos, unfreundlich zu sein.
»Meinst du, Eric könnte etwas dagegen haben?«, fragte er, als wir die schmale Landstraße entlangfuhren.
»Das geht ihn nichts an«, erwiderte ich knapp. Es ärgerte mich, dass er sich automatisch wegen Eric Gedanken machte.
»Kommt er dich nicht so häufig besuchen?«, hakte Charles mit ungewöhnlicher Hartnäckigkeit nach.
Ich gab ihm erst eine Antwort, als ich den Wagen hinter dem Haus geparkt hatte. »Hör mal, ich weiß nicht, was dir zu Ohren gekommen ist, aber er ist nicht... wir sind nicht... na, das eben.« Charles sah mir ins Gesicht und war klug genug, den Mund zu halten, während ich die Hintertür aufschloss.
»Fühl dich wie zu Hause«, sagte ich, nachdem ich ihn über die Schwelle gebeten hatte. Vampire brauchen immer die Erlaubnis, ein Haus zu betreten. »Später zeige ich dir dann deinen Schlafplatz.« Während sich der Barkeeper in meinem bescheidenen Haus umsah, in dem meine Familie schon seit so vielen Jahren lebte, hängte ich meinen Mantel auf und legte meine Tasche ins Schlafzimmer. Ich machte mir ein Sandwich und fragte Charles, ob er etwas Blut wolle. Ich habe immer Blutgruppe 0 im Kühlschrank, und er schien ganz froh, sich hinsetzen und etwas trinken zu können nach seiner Erkundung des Hauses. Charles Twining war friedfertig im Umgang, vor allem für einen Vampir. Er war weder lüstern, noch schien er irgendwas von mir zu wollen.
Ich zeigte ihm die Bodenluke im eingebauten Schrank des Gästezimmers und wie sie anzuheben war. Ich erklärte ihm die Fernbedienung des Fernsehers, wies auf meine kleine Sammlung Kinofilme hin und auch auf die Bücher in den Regalen im Gästezimmer und im Wohnzimmer.
»Fällt dir noch etwas anderes ein, das du eventuell brauchen könntest?«, fragte ich. Meine Großmutter hatte mich gut erzogen, auch wenn sie sich wohl nie hätte vorstellen können, dass ich mal die Gastgeberin von Vampiren sein würde.
»Nein danke, Sookie«, entgegnete Charles höflich und tippte mit seinen langen weißen Fingern gegen seine Augenklappe - eine sonderbare Gewohnheit, die mir kalte Schauer über den Rücken jagte.
»Tja, dann musst du mich jetzt wohl entschuldigen, ich geh schlafen.« Ich war müde, und es erschöpfte mich, mit einem fast Fremden Gespräche zu führen.
»Natürlich. Gute Nacht, Sookie. Wenn ich durch den Wald streifen möchte...«
»Tu, was dir gefällt«, sagte ich unverzüglich. Für die Hintertür besaß ich einen Ersatzschlüssel, und ich holte ihn aus der Schublade in der Küche, in der ich all meine Schlüssel aufbewahrte. In dieser Schublade wurde schon seit achtzig Jahren - seit die Küche an das Haus angebaut worden war - allerlei Krimskrams aufbewahrt. Es waren mindestens hundert Schlüssel darin. Einige davon, die schon beim Anbau der Küche alt gewesen waren, sahen ausgesprochen seltsam aus.
Die aus meiner Generation hatte ich alle gekennzeichnet, und der Schlüssel der Hintertür war an einem rosa Schlüsselanhänger befestigt, den ich von meinem »State Farm«-Versicherungsvertreter bekommen hatte. »Wenn du nach Hause kommst, schieb bitte den Riegel vor.«
Er nickte und nahm den Schlüssel an sich.
Es war gewöhnlich falsch, zu viel Sympathie für einen Vampir zu entwickeln, aber ich konnte nichts dafür: Irgendetwas Trauriges hatte Charles an sich. Er wirkte einsam auf mich, und es ist immer etwas Mitleiderregendes an Einsamkeit. Die Erfahrung hatte ich selbst gemacht. Ich würde zwar immer abstreiten, rührselig zu sein, aber wenn ich einen anderen Einsamen sah, trieb es mir fast die Tränen in die Augen.
Ich wusch mir das Gesicht und zog einen roten Nylonpyjama an. Schon fast im Halbschlaf putzte ich mir die Zähne und kroch schließlich in das hohe alte Bett, in dem meine Großmutter geschlafen hatte, bis sie starb. Meine Urgroßmutter hatte die Steppdecke selbst gemacht, die ich jetzt über mich zog, und meine Großtante Julia hatte die Ränder bestickt. Auch wenn ich vielleicht ganz allein auf der Welt dastand - abgesehen von meinem Bruder Jason -, so ging ich doch umgeben von meiner Familie zu Bett.
Am
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