Vampire Diaries - Stefan's Diaries - Nur ein Trop
höhnisch die Arme in die Luft, Holzpflöcke in den Händen; Pflöcke, deren Enden scharf zugespitzt waren. Je näher sie kamen, desto hektischer wurden ihre Bewegungen und sie hoben ihre Waffen und…
Aber am schlimmsten waren die Visionen von Katherine. Ich sah sie vor mir, und sie war so schön wie immer; ihr Porzellangesicht schwebte über meinem, und ihre glänzende Mähne kitzelte meine Schultern. Mit einem koketten, wissenden Lächeln beugte sie sich zu mir vor, und dann öffnete sie den Mund. Ihre Reißzähne glitzerten im Schein der Lampe, als sie sich in meinen Hals gruben.
Ich riss die Augen auf. Ich würde heute keine Ruhe mehr finden. Meine Gedanken drehten sich um Erinnerungen an Katherine. Der menschliche Teil von mir– oder das, was davon übrig war– hasste sie mit jeder Faser seines Wesens. Unwillkürlich ballte ich die Hand zur Faust, wenn ich an sie dachte und daran, wie sie meine Familie zerstört hatte.
Aber das Vampirwesen in mir vermisste das, wofür sie gestanden hatte– Sicherheit und Liebe. Und genauso wie der eine Teil meiner Seele bis in alle Ewigkeit Bestand haben würde, würde auch der andere Teil von mir bestehen, der sich nach ihr sehnte. Gerade jetzt wollte ich sie an meiner Seite haben, eingekuschelt in meine Laken. Ich wollte, dass sie sich auf das Fensterbrett stützte und mir zuhörte, während ich ihr von Damon erzählte. Ich wollte, dass sie mir in ihrer gelassenen, ja sogar kalten, sachlichen Art sagte, was ich tun sollte. Zusammen mit Katherine war ich furchtlos und selbstbewusst gewesen. Mit ihr schien einfach alles möglich.
Obwohl ich Lexi vertraute, wusste ich, dass sie mir kein Vertrauen schenkte, wenn es darum ging, sich um Dinge zu kümmern… Sie glaubte nicht, dass irgendeiner meiner Pläne funktionieren würde. Das war der Grund, warum Lexi mich so oft auf die zahlreichen Hindernisse auf meinem Weg hinwies. Ich sehnte mich nach der Katherine, in die ich mich verliebt hatte, nach der, die furchtlos wirkte und die mich wahrhaft zu lieben schien. Gerade jetzt wollte ich sie an meiner Seite haben, damit ich mich nicht mehr so allein fühlte. Aber ich wusste, dass diese Katherine niemals wirklich existiert hatte. Und die wahre Katherine war fort und würde niemals zurückkommen.
Die Tür ging auf, und Lexi stand da, mit einem Becher in den Händen. Sie hielt ihn mir an die Lippen. Ich nahm einige tiefe Schlucke, trotz des Abscheus, den das Tierblut in mir weckte.
Als ich den Becher geleert hatte, stellte sie ihn auf den Nachttisch und strich mir dann das Haar aus der Stirn. » Willst du immer noch heute Abend zu dem Kampf gehen?«
» Willst du versuchen, mich daran zu hindern?«
» Nein.« Lexi biss sich auf die Unterlippe. » Nicht, solange du es einfach dabei belässt, deinen Bruder zu retten. Rache ist etwas für Menschen– und Gallaghers Ermordung wird den Menschen keine Lektion erteilen.«
Ich nickte und wusste doch die ganze Zeit, dass ich– wenn nötig– brutale Gewalt einsetzen würde, um Damon zu befreien.
» Gut.« Lexi wandte sich zum Gehen. Auf halbem Weg zur Tür drehte sie sich noch einmal um und sah mir fest in die Augen; ihre Gesichtszüge wurden weicher. » Du hast dem Tod schon einmal ein Schnippchen geschlagen. Ich hoffe, du wirst es auch ein zweites Mal tun.«
Nachdem ich mich angekleidet hatte, ging ich in menschlichem Tempo zur Lake Road. Als ich dort ankam, war die Abenddämmerung in Dunkelheit übergegangen. Rund um den Jahrmarkt brannten Laternen und Fackeln, wodurch das ganze Gelände in Tageslicht getaucht zu sein schien. Das Zirkuszelt war rotweiß gestreift und von Spielbuden und einzelnen Ständen umgeben. » Lassen Sie sich Ihre Zukunft weissagen!«, stand auf einem Plakat über einem der Stände. » Sehen Sie sich die hässlichste Frau der Welt an– wenn Sie es wagen!«, war auf einem anderen zu lesen. Irgendwoher aus einem fernen Winkel hörte ich das Schnattern eines Tieres, aber ich bekam kein Gefühl dafür, wo Damon war.
Genau in diesem Moment trat Callie aus dem Hauptzelt, gefolgt von ihrem Vater und ihren beiden Handlangern. Sie trug denselben Arbeitsanzug und dasselbe Leinenhemd wie am Abend zuvor, und das Haar fiel ihr offen über die Schultern. Unter einem Auge hatte sie einen kleinen Schmutzfleck. Ich verspürte den plötzlichen Drang, ihn wegzuwischen, vergrub aber stattdessen die Hände in den Taschen.
» Stefan!«, rief sie, und ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. » Sie sind gekommen.
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