Vampire Earth 3 - Donnerschläge
strahlenden Morgen im April von seinen von der Sonne gebleichten Zinnen herab, so sähe er eine sonderbare Kolonne die Serpentinenstraße zu seinem Tor heraufziehen. Ein schwarzer Mann schreitet voraus, lässt sich von seinen schnüffelnden Hunden den Berg hinaufhelfen. Hinter ihm folgt ein Haufen muskelbepackter affenartiger Grogs, die ihre Arme ebenso einsetzen wie ihre Beine, um den Hang zu bewältigen. Ihnen schließt sich ein größerer Verwandter mit beigefarbenem Fell an, der eine Waffe mit einem beinahe zwei Meter langen Lauf hält. Dahinter kommt ein attraktiver, dunkelhaariger Mann, der ein wenig humpelt und sich an den schwierigsten Abschnitten des Weges auf einen Stock stützt. Zerlumpte, schwarze Soldaten, mit wachsamem Blick und einsatzbereiten Waffen, bilden den Abschluss. Der Kur würde vielleicht überlegen, welch seltsame, jämmerliche Gruppe da wohl das Wagnis eingehen will, die Festung auf dem Pic La Ferriere herauszufordern und mit ihr die gesamte kurische Herrschaft.
David Valentine ließ sich die Dinge während des langwierigen Aufstiegs noch einige Male durch den Kopf gehen, und jeder Denkvorgang kollidierte sogleich mit dem nachfolgenden. Er hatte mehrfach um sein Leben gewürfelt,
aber nie hatte er sein Leben als Einsatz in einem so merkwürdigen Spiel wie diesem riskiert. Hätte nicht Ahn-Kha, der an seiner Seite war und seine langen Zehen um Baumwurzeln und Steine wickelte, während er ihm über die ausgespülten Rinnen in dem Pfad durch das Gebirge half, solch eine Gelassenheit ausgestrahlt, er wäre schon vor Tagen auf die Thunderbolt zurückgekehrt und hätte die ganze Sache abgeblasen. Während die Kugeln ihm um die Ohren pfiffen, war es ihm nie in den Sinn gekommen aufzugeben, aber kaum hatte er einen vollen Bauch und ausreichend Schlaf, stiegen diese Gedanken in ihm auf.
Nachdem er einen Vormittag damit verbracht hatte, in Victos Begleitung dem Fluss Limbe zur Küste zu folgen und anschließend eine kurze Kanuüberfahrt zum Ankerplatz vor Labadee zu unternehmen, war er wieder auf die Thunderbolt zurückgekehrt. Er hatte mit frischem Wasser geduscht und sich umgezogen und dann auf dem Achterdeck ein Treffen unter freiem Himmel einberufen, um den Piraten aus Jamaika und den Meuterern aus New Orleans seine Geschichte zu erzählen und ihnen zu erklären, was in den nächsten Tagen geschehen sollte.
Bei Sonnenuntergang hatten Offiziere und Mannschaft entschieden, dass Carrasca und Post auf dem Schiff bleiben sollten, während einige Männer sich den Grogs und der haitianischen Guerilla für den nächsten Schritt anschließen sollten: die Kontaktaufnahme zu ihrem »kurischen Verbündeten« in der Gebirgsfestung. Das weckte die Neugier der Mannschaft; die Männer hatten mehr Fragen als Valentine Antworten. Die Thunderbolt wäre jedenfalls in Sicherheit. Ihre wichtigste Bordwaffe war repariert worden, und sie war bereit, sich jedem Angriff von See zu stellen wie an jenem Tag, an dem sie Cap-Haïtien angelaufen hatte.
Nachdem das erledigt war, holten Grogs und Menschen ihre Waffen aus dem Waffenschrank und ließen sich so viel Proviant geben, wie die Unteroffiziere ihnen nur aufbürden konnten. Eine Art Strandparty empfing sie vor dem Marsch in die Berge Haitis. Die Verständigung zwischen Einheimischen und Gästen bestand aus einem Durcheinander aus Englisch, Französisch, Spanisch und dem Inseldialekt. Zwei Tage später fand sich Valentine mit seiner wild zusammengewürfelten Truppe unter Victos Führung schwitzend auf dem steilen Hang des La Ferriere wieder.
Zwei reglose Wachen in gestreiften Uniformen standen vor dem Haupttor der Festung auf Posten. Eine rostige Mauer aus alten Jeeps und Trucks bildete die erste und unscheinbarste Verteidigungsanlage der Zitadelle, blockierte aber die letzten Meter dessen, was von der hangaufwärts führenden Straße übrig war.
Eine Gruppe Haitianer, die Valentine als Träger mitgenommen hatte, kauerte sich in den Schatten des Festungsteils, der wie der Bug eines gewaltigen Schiffes über den Pfad hinausragte. Ein paar schliefen, andere unterhielten sich, ein oder zwei beäugten die Fremden neugierig, während einige der Seeleute sich Zigaretten anzündeten. Valentine dachte an die Tausende ihrer Vorfahren, die nötig gewesen sein mussten, um dieses Wolkenschloss zu erbauen.
Die Wachen und Victo unterhielten sich kurz in ihrem kreolischen Singsang. Valentine schnappte die Worte »Papa Legba« und » oui « auf, aber viel mehr konnte er nicht
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