Vampire Earth 4 - Saat der Nacht
Vorübergehen berührten, manche so ehrfürchtig, dass es ihn an mittelalterliche Pilger und angebliche Splitter des Kreuzes Jesu Christi erinnerte, während andere es streichelten wie einen geliebten Menschen. Sogar Post, der nie irgendwelche Anzeichen von Aberglauben hatte erkennen lassen, pochte stets zweimal mit den Knöcheln an die Zeltstange, wenn er in Valentines Zelt an ihr vorüberging.
Ihre List mochte für sechs Tage reichen, aber fraglos nicht für einen Zeitraum von mehreren Wochen. Früher oder später würde irgendein Idiot ein falsches Wort fallen lassen, ein Gesicht würde trotz der geschorenen Köpfe erkannt werden, eine gefälschte Identität auffliegen. Dann kämen Fragen auf, und wenn er keine Antworten liefern konnte, würden weitere Fragen folgen. Nach allem, was er vom Hafen und den Lagerhäusern gesehen hatte, waren die Quislinge vor jedem Angriff geschützt, den er mit der vorhandenen Bewaffnung auf die Beine stellen konnte. Nicht einmal mit den Bären hätte er eine Chance. Das Schnellholz musste zum Kommando Süd gebracht werden, wo es dazu genutzt werden konnte, Schlächter zu
töten, statt wasserfestes Segeltuch zu halten. Aber wenn er einfach das Lager abbrach und über den Fluss setzte, wären seine Chancen, es in die Boston Mountains zu schaffen, kaum der Rede wert.
Als ihm klar wurde, dass er keinen Schlaf finden würde, stand er auf, zog sich an und suchte sich eine Axt. Er irrte durch das Lager, nickte den jungen Rekruten des Wachdiensts zu und ging weiter, bis er ein paar aufgestapelte Brennholzgebinde entdeckt hatte. David Valentine spaltete Rundholz in Viertel und Viertel in Kleinholz, bis er endlich bereit war, in die Koje zu fallen. Sein Körper war trotz der kalten Nachtluft schweißnass, seine Muskeln brannten, aber die nagenden Sorgen waren vorerst betäubt.
6
D er Arkansas River im Februar des neunundvierzigsten Jahres der kurischen Herrschaft: Ein Teil der Verteidigungsstrategie des Freien Territoriums baute schlicht auf Unzugänglichkeit. Das Kommando Süd zerstörte Bahnstrecken, die in die Ozarks führten, riss Straßendecken auf und Brücken ein, sah zu, wie der Wald Landebahnen überwucherte, und flutete Bayous, die lange vorher von Ingenieurkorps trockengelegt worden waren. Im Zuge dieser Strategie machte das Kommando Süd auch den Arkansas River teilweise unbefahrbar durch die Zerstörung von Schleusen, die Errichtung von Unterwasserhindernissen und die Ableitung zuströmenden Wassers, das im Osten vom Mississippi und im Westen aus dem alten Flusshafen am Verdegris östlich von Tulsa kam. Ein Höhenunterschied von hundertzwanzig Metern zwischen dem Mississippi und Fort Smith war nur noch für Boote mit minimalem Tiefgang zu bewältigen, nachdem der Fluss versandet war und von den aufmerksamen Wachen in Arkansas Post und Fort Gibson kontrolliert wurde. Zwar gerieten beide Stützpunkte im Zuge der unheilvollen
Geschichte des Freien Territoriums mehrfach in Feindeshand, doch konnten sie stets zurückgewonnen werden.
Bis jetzt.
In den Monaten der Besatzung haben die Kur den Fluss zwischen Little Rock und dem Mississippi wieder eingeschränkt befahrbar gemacht; kleine Frachtkähne schippern wieder hinunter, um die Armeen zu versorgen, die noch immer im Gebirge kämpfen. Aber auch die Natur trägt ihren Teil zu dem Konflikt bei: ein feuchter Winter, ein frühes Frühjahr und schwere Regenfälle haben die Wasserstände auf ein Niveau getrieben, die sie seit der Flutkatastrophe in den zwanziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts nicht mehr erreicht hatten. Den letzten Einfluss an den Dämmen der Jed Taylor and Dardanelle Lock & Dams büßte das Kommando Süd durch die Flucht in die Berge ein, durch die der Fluss den Fluten überlassen blieb. Nur der Umstand, dass die Dämme schon vor Jahren zerstört wurden und ein Teil des Wassers in andere Gebiete abgeleitet wird, hat die neuen Herren der Ruinen bisher vor dem Wasser geschützt.
Aber der Pegel des Flusses steigt.
Die Ironie der Situation entging Valentine nicht. Er trieb seine Männer, Angeworbene wie Offiziere, in einen erschöpfenden Kampf gegen den anschwellenden Arkansas River. Eine Mauer aus Sandsäcken war ihre Front. Auf einer Seite der kilometerlangen Linie aus Sandsäcken, Pumpen und Entwässerungsgräben zerrieb die Kriegsmaschinerie des militärischen Mühlsteins von Konsul Solon das Kommando Süd zu Hühnerfutter. Auf der anderen Seite wogte eine gottgegebene Naturkatastrophe heran und wartete nur
Weitere Kostenlose Bücher