Vampire Earth 5 - Verräterblut
der Stadtgarde. Die rostroten Baumwolluniformen und die mit Segeltuch überzogenen Tropenhelme tauchten stets paarweise auf. Paare, die Boote durchsuchten, Paare, die in kleinen Fahrzeugen fuhren, die, wie Valentine gehört hatte, »Golfwagen« genannt wurden, Paare, die über die erhöhten hölzernen Promenaden stolzierten.
Dem Hummer machten sie Platz.
»Am südlichen Teil des Ufers amüsieren sich ausschließlich Familien«, sagte Cotswald, als sie an einem Vergnügungspark vorbeikamen. Valentine sah ein sich drehendes Karussell und ein Riesenrad, von dem man einen guten Ausblick auf die ganze Umgebung hatte. Viele der anderen Fahrgeschäfte waren nicht in Betrieb. »Sie sollten den Park am Jubeltag sehen oder in der Friedenswoche. Dann kampieren die Leute auf dem ganzen Hügel. Eine tolle Zeit. Außer während des Granatfeuers im Jahr dreiundvierzig. Diese brutalen Mistkerle auf der anderen Seite des Flusses haben die ganze Gegend am letzten Tag der Friedenswoche unter Artilleriefeuer genommen. Dabei sind Hunderte umgekommen. Seither ist es nie wieder das Gleiche gewesen.«
»Das war …«, setzte Duvalier an.
»Schrecklich«, fiel Valentine ihr ins Wort. »Radio Macon hat darüber berichtet.« Er hatte einige Wölfe nach der Ausstrahlung der kurischen Propagandasendung darüber reden hören. Offenbar hatten sie Söldner für den Überfall angeheuert und die drei Schützenmannschaften anschließend ermordet. Eine Patrouille der Bravo-Kompanie hatte die Leichen und die Granathülsen gefunden.
Die Pyramide wurde immer größer, als sie näher kamen. Valentine hatte ihre Größe auf den ersten Blick unterschätzt. Auch sie wurde von einem höheren Bauwerk überragt, einem schmalen, dürr wirkenden Turm mit einem pilzförmigen Dach, ein winziger Schirm, der über dem großen, segeltuchfarbenen Bauwerk in der Luft hing.
Valentine hatte nie irgendetwas gesehen, das so deutlich zu Bewusstsein brachte, was Malia Carrasca die Vampirwelt genannt hatte: eine Ruine der alten Welt, eine Pyramide der Macht, über deren Spitze ein Kur thronte und auf die aus dieser erhabenen Perspektive ameisenartigen Bewohner seiner Domäne hinabblickte.
»Da hat sich Moyo ja ein beeindruckendes Domizil geschaffen.«
»Das ist ein altes Veranstaltungszentrum«, erklärte Cotswald und schnaubte noch ein bisschen mehr. »Eine Art Stadt in der Stadt. Jeder Flussschiffer auf den Großen Drei kann eine Geschichte über seine Besuche an diesem Ort erzählen. Die Mädchen in Chikago oder Vegas oder New York können nicht mit Moyos mithalten; der trifft seine Wahl in Depots, die sich über den halben Kontinent verteilen.«
»Ich werde dafür sorgen, dass Jacksonville mithalten kann«, sagte Valentine.
»Moyo war auch einmal jung«, sagte Cotswald und musterte Valentines offenen Hemdkragen, in dem die Kette mit dem Messingring zu sehen war.
»Was tun Sie für ihn?«, fragte Valentine.
»Ich liefere ihm Schnaps und Rindfleisch von hoher Qualität.«
»Und er bezahlt Sie mit Partys?«
»Nein, daran bin ich nicht interessiert - nicht, dass ich etwas gegen Ihre Branche hätte, Stu. Er hat eine eigene Modefirma. Wenn seine Mädchen nicht anderweitig beschäftigt sind, dann nähen sie. Einige der Kleidungsstücke, die Sie im Stadtzentrum gesehen haben, stammen von Graceland, seinem Modelabel. Ich verkaufe sie an Läden in anderen Städten, die teilweise weit von hier entfernt sind wie Des Moines oder Chattanooga.«
Duvalier war auf dem Rücksitz des Hummer eingeschlafen. Als der Wagen hielt, öffnete sie die Augen.
Cotswald hatte sie ans Nordende des Gewerbehafens gefahren. Ein neuer Betonpier und Anlegeplätze, dem Augenschein nach aus Schutt erbaut, lagen im Schatten eines Bauwerks, das einmal eine große Brücke über den Mississippi gewesen sein musste. Eine flache, von Bäumen bestandene Halbinsel schmiegte sich an das Memphis-Ufer. Von der Hauptstrecke der Eisenbahn, die im rechten Winkel zu der alten Ost-West-Interstate verlief, führte eine Nebenstrecke hinauf in die Stadt. Valentine sah Flachwagen, die von einem Flussschiff aus mit Säcken und Fässern beladen wurden.
»Das ist die Pendellinie«, sagte Cotswald. »Meine Lagerhäuser sind am anderen Ende.«
Eine schmale Fußgängerbrücke überspannte ein paar Hundert Meter Bahnlinie und Schutt zwischen der Pyramide und dem Rest der Stadt. Hausboote lagen wie säugende Ferkel am Ufer des Kanals zwischen der baumbestandenen
Halbinsel und dem Gelände, auf dem die Pyramide
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