Vampire küssen besser
gibt Weiber- und Männer-Filme.«
»Meiner Meinung nach hängt das vom Intelligenzquotient ab. Ich finde, es gibt geistlose und geistreiche Filme«, erwiderte ich zerstreut.
Louis schien mein Desinteresse nicht zu stören. »Lass mich raten: Wahrscheinlich magst du Fellini, findest aber
Julia und die Geister
am besten.«
Ich seufzte. Louis und Benny waren dermaßen mit sich beschäftigt, dass ihnen nicht auffiel, wie einerlei ihr Filmthema mir war. Um aber keine Spielverderberin zu sein, entgegnete ich: »Mir gefallen alle Fellini-Filme.«
»Welcher ist generell dein Lieblingsfilm?«, erkundigte sich Benny.
Ich grinste. Generell ging mein Geschmack in die schräge und abgefahrene Richtung. »
Liebes Tagebuch.
«
Louis hob die Brauen und sah Benny an. Sie zuckte die Achseln. »Nie gehört«, erklärte Louis.
»Ich auch nicht«, sagte Benny. »Wer war der Regisseur?« Inzwischen hielten die beiden Händchen.
»Nanni Moretti.«
»Dieser italienische Kommunist?«, rief Louis empört.
Wenn er laut wurde, bekam er eine Fistelstimme, bei deren Klang sich mir der Magen umdrehte, doch ich zwang mich zu einem Lächeln. »Mag ja sein, dass Moretti Kommunist ist, aber er ist witzig, und seine politische Einstellung interessiert mich nicht. Ich mag Komödien, selbst die mit schwarzem Humor.«
»Welcher Film hat dir denn sonst noch gefallen? Vielleicht ist es einer, den wir kennen«, sagte Benny.
»
Mit oder ohne
von Barry Levinson.«
»O Gott!«, sagte Louis. »Nimm’s mir nicht übel, aber du hast einen komischen Geschmack. Was hat dir denn an
dem
Film gefallen?«
»Dass es ein irischer Film ist, der in Belfast während der Unruhen spielt, aber ausnahmsweise nicht düster wirkt. Der Film ist voller Ironie und sehr amüsant. Das Leben ist traurig genug. Das muss ich mir nicht auch noch im Kino ansehen.«
Benny und Louis tauschten einen Blick. Louis verdrehte die Augen. Benny kicherte.
»Übrigens«, begann Louis, »ich habe schon den ganzen Abend deinen Ring bewundert. Darf ich mir den mal näher ansehen?«
»Warum nicht? Er stammt aus Florenz, aus der Zeit der Renaissance.« Ich zog den Ring ab und gab ihn Louis.
Louis schaltete die Innenbeleuchtung an und hielt den Ring ans Licht. »Wow! Ich habe eine Schwäche für Ringe. Wie man sieht.« Er hielt eine beringte Hand hoch. »Deiner ist ziemlich ausgefallen. Ich glaube, innen kann man den Stempel des Goldschmieds erkennen.«
»Darf ich mal sehen?«, fragte Benny, und Louis gab den Ring an sie weiter.
Benny prüfte das Schmuckstück auf eine Weise, wie es echte Juweliere tun. Sie war sichtlich beeindruckt. »Großartig«, sagte sie. »Ringe aus dieser Epoche habe ich bisher nur im Museum gesehen. Aber ich bin ja auch viel jünger als Daphy.« Sie warf mir ein freches Grinsen zu. Ich reagierte meiner Reife entsprechend und streckte ihr die Zunge heraus. Benny gluckste vor sich hin. Danach betrachtete sie den Ring noch einmal und erklärte: »Schätzchen, weißt du, dass sich einer der Smaragde gelockert hat?«
»Nein. Lass sehen.« Benny reichte mir den Ring zurück. Erkennen konnte ich in dem trüben Licht nichts, doch ich spürte, dass einer der Steine lose saß.
»Wenn du nichts dagegen hast, nehme ich ihn am Montag mit zur Arbeit. Da kann ihn einer der Goldschmiede richten. Ich verspreche auch, den Ring nicht aus den Augen zu lassen. Montagabend hast du ihn zurück.«
»Super«, entgegnete ich. »Wäre ärgerlich, wenn ich den Stein verlieren würde.« Benny nahm den Ring und steckte ihn in die kleine Tasche, die an der Goldkette um ihre Taille befestigt war. Sie mochte zwar einen unbedarften und flatterhaften Eindruck machen, doch der gehörte zu ihrer Rolle als »dummes Blondchen«. Soweit ich inzwischen wusste, war Benny Polycarp gescheit, zuverlässig und mit allen Wassern gewaschen.
»Apropos Arbeit«, fuhr ich an Benny gewandt fort. »Nicht dass ich das Thema wechseln möchte, aber du wolltest mir noch etwas erzählen, und jetzt ist die beste Gelegenheit.« Vor Louis konnte ich getrost über unseren Job reden. Vampire behalten zwar nichts für sich, doch das gilt nur innerhalb der Familie. In dem Punkt folgen wir ungeschriebenen Gesetzen, und eins von ihnen besagt, nie etwas oder jemanden an Menschen zu verraten. Um uns zu schützen, schließen wir die Reihen und verschanzen uns wie hinter einer Wagenburg. Schließlich werden wir seit Jahrhunderten verfolgt und wissen, dass unser Überleben vom engen Zusammenhalt der Familie abhängt. Es
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