Vampire küssen besser
Passen Sie auf sich auf!«
Ich entschied mich, an dem Abend legere Kleidung zu tragen, und zog eine schwarze Hose und einen blauen Kaschmir-Rollkragenpullover an. Dazu wählte ich einen schwarzen, mit Blumen bestickten Wollmantel und hochhackige Stiefeletten von Jimmy Choo. Ein Paar eingelaufene Nikes wären mir zwar lieber gewesen, doch die passten nicht zu meinem Image. Aber sollte ich mich später verwandeln müssen, war mein Schuhzeug ohnehin nicht von Bedeutung.
Dunkelgraue Schatten senkten sich auf Manhattan, als ich meine Wohnung verließ. Ziellos streifte ich durch die Straßen, bis ich schließlich den Broadway in der Höhe der Siebziger Straßen erreichte, eine Gegend mit verglasten Restaurantterrassen und neonbeleuchteter Apotheke. Auf der leeren Bank auf einer Verkehrsinsel ließ ich mich nieder und praktizierte eine spezielle Form der Meditation, die ich »Verkehrsrauschen« nenne. Sämtliche Gedanken ließ ich los und konzentrierte mich nur mehr auf die anonymen Autos, die eins nach dem anderen an mir vorbeibrausten. Sehr erfolgreich war ich dabei diesmal nicht. Die Gedanken kehrten ungebeten zurück und mit ihnen die Frage, ob ich tatsächlich töten sollte oder nicht. Das Leben ist mir in jeder seiner Formen heilig. Dessen ungeachtet besitze ich die Fähigkeit, mit derselben Leichtigkeit zu töten, mit der die Menschen Käfer zerdrücken. Das heißt aber nicht, dass ich auch das Recht dazu habe. Ohnehin habe ich mit der Gleichgültigkeit, mit der Menschen Tiere behandeln, Probleme. In dem Punkt sind meine Mutter und ich uns einig. Insbesondere die irrationale Art, in der Menschen Fledermäusen begegnen, geht mir gegen den Strich.
Zu guter Letzt winkte ich ein Taxi herbei. Bonaventures Wohnung lag auf der anderen Seite des Central Park. Auf dem Weg dorthin gab es kaum rote Ampeln, und die Fahrt dauerte nicht lange. Zur vereinbarten Zeit stand ich vor dem Gebäude. Von Js Team war weit und breit nichts zu sehen. Weder entdeckte ich geparkte Lieferwagen, noch jemanden, der als Arbeiter des Elektrizitätswerks verkleidet die Straße aufbohrte. Vielleicht befanden sich Agenten in einer der Wohnungen gegenüber. Ich tröstete mich mit dem Gedanken, dass man heimliche Überwachungsteams eigentlich auch nicht entdecken sollte. Allerdings hätte es mich nicht gewundert, Louis irgendwo zu erblicken, wie er angelegentlich an einem Parkverbotsschild lehnte, das Gesicht absolut unauffällig hinter einer Tageszeitung verborgen.
Der Portier in der Eingangshalle meldete mich oben an und führte mich wie schon einmal zu dem kleinen Lift. In der Wohnung empfing mich abermals Tanya. Allerdings stand die Diele dieses Mal voller Koffer. »Will jemand verreisen?«, erkundigte ich mich. Tanya verzog keine Miene und ignorierte meine Frage.
»Der Herr erwartet Sie«, sagte sie.
Bonaventure befand sich in der Bibliothek und wirkte angespannt. Doch ob er beunruhigt oder nur aufgeregt war, vermochte ich nicht zu entscheiden. Dieses Mal trug er keinen Smoking, sondern ein fesches Reitkostüm und Schaftstiefel. Wie ein fetter Wolf, der auf das Rotkäppchen lauert, lächelte er mir mit gebleckten Zähnen entgegen. Besorgt erkannte ich, dass sowohl Issa als auch der widerliche Bockerie nicht da waren, und fragte mich, wo sie steckten.
»Treten Sie ein, Miss Urban«, begrüßte mich Bonaventure. »Nehmen Sie Platz! Wir haben eine Menge zu erledigen und bedauerlicherweise nicht sehr viel Zeit dafür übrig.«
»Wollen Sie heute noch verreisen?«
»So ist es. Zu meinem Landsitz. Aber widmen wir uns zunächst meinen Angeboten.«
Bonaventure überreichte mir die Mappe mit den Fotos. Ich ging die Zahlen auf den Rückseiten durch. Wie erwartet, hatte er sich für alle Stücke entschieden, nur die Beträge, die er notiert hatte, überraschten mich. Er hatte nichts riskiert. Falls sich Schneibel mit Geldsummen locken ließ, konnte er ihm die Stücke nun nicht mehr verweigern. Der Gesamtbetrag für die sechzehn Objekte belief sich auf fünfzig Millionen Dollar.
»Es wäre gut, wenn Sie den Verkauf umgehend bestätigen könnten«, erklärte Bonaventure. »Mein Angebot steht bis neun Uhr heute Abend. Danach ziehe ich es zurück.«
»Mr.Schneibel wartet auf meinen Anruf«, entgegnete ich, wohl wissend, dass die Transaktion in den Händen des amerikanischen Geheimdienstes lag. Allerdings ging ich davon aus, dass Schneibel angewiesen worden war, sich zur Verfügung zu halten. Als ich mein Handy hervorzog, leuchtete auf dem Display
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