Vampire küssen besser
hätten dazu gedient, ebendiese zu verbergen. Ich schüttelte den Kopf. Das war alles zu umständlich, zu abwegig gedacht. Dennoch lautete eine meiner anderen Devisen: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Ich mochte Benny, aber so richtig über den Weg traute ich ihr nicht. Das war jedenfalls das, was mein Instinkt mir riet, und der lässt mich selten im Stich. Fast hätte ich gesagt, er lässt mich
nie
im Stich, aber man soll nie »nie« sagen.
Abermals versuchte ich, mir ein Reim auf das zu machen, was geschehen war. Als Issa und Tanya umgebracht wurden, waren Bonaventure und Catharine bereits fort. Benny war ebenso wie ich im Fitnessraum gefesselt worden. Somit blieben zwei Personen, die die Morde begangen haben konnten: Bockerie, der Fiesling aus Sierra Leone – oder Darius. War Bockerie in der vergangenen Nacht überhaupt in der Wohnung gewesen? Gesehen hatte ich ihn nicht. War er fortgegangen und zurückgekehrt, als sich Issa gerade mit den Diamanten aus dem Staub machen wollte? Allerdings hatte ich Issa zuvor auch nicht entdeckt, und doch war er offenbar die ganze Zeit hier irgendwo gewesen.
Aus welchem Grund Darius in der Wohnung gewesen war, wusste ich noch immer nicht. Hatte er irgendetwas gesucht? Oder war er gekommen, um Tanya und Issa zu ermorden? Mich würde es belasten, wenn ich die beiden umgebracht hätte, insbesondere Tanya. Gewiss, sie erfüllte sklavisch Bonaventures Wünsche und verkörperte die dunkle Seite der slawischen Seele, doch seit wann war das ein Anlass, einen Menschen zu töten? Ein Verbrechen hatte sie, soweit ich wusste, nicht begangen. Weshalb also hatte man ihr das Leben genommen?
Meine Gedanken kehrten zu den Diamanten zurück. Sie waren nicht mehr da. Irgendjemand musste sie haben. Bonaventure hatte sie nicht mitgenommen. Möglicherweise hatte Issa Benny eins übergezogen und sich die Arzttasche aus einem Impuls heraus geschnappt, ohne groß darüber nachzudenken. Und war dann in Panik geraten. Vielleicht hatte er Tanya angeboten, sich die Beute mit ihm zu teilen. Vielleicht hatten sie daraufhin gemeinsam beschlossen, das Weite zu suchen. Doch dann war ihnen jemand dazwischengekommen, hatte sie aufgehalten. Und dieser Jemand – darauf hätte ich mein Hab und Gut verwettet – war nun im Besitz der Diamanten. Sie waren das Motiv. Sie hatten Issa und Tanya das Leben gekostet. Ich seufzte und kam zu dem Schluss, dass Bockerie, der grausame, gnadenlose General Moskito die beiden, ohne mit der Wimper zu zucken, ermordet hatte. Nun musste ich es nur noch beweisen. Töten verletzt die Seele und betäubt das Herz, das wusste ich nur zu gut. Schon aus dem Grund wollte ich nicht, dass Darius der Killer war. Er sollte der Gute sein, der weiße Ritter. Ich hoffte, es war kein Wunschdenken, das zu meinen Schlussfolgerungen führte, denn ebenso gut hätte ich mir sagen können, Darius habe einen Befehl ausgeführt. Vielleicht hatte man ihm aufgetragen, ohne Rücksicht auf Verluste vorzugehen.
An dem Punkt stellte ich meine Grübeleien ein und machte mich daran, die Schublade des Telefontischchens zu durchsuchen. Die Ausbeute war mager: ein Telefonbuch für Manhattan, ein Block und ein paar Stifte. Ich zog den Block hervor, nahm einen Stift und begann, die Nummern die im Kurzwahlspeicher des Telefons standen, zu notieren. Die ersten bezogen sich auf Manhattan. Ich beschloss, sie später zurückzuverfolgen, im Moment führten sie mich nicht weiter. Als Nächstes kamen Nummern für Anschlüsse im Ausland und dann endlich eine, die vielversprechend mit 570 begann. Ich schrieb sie auf und ging rasch die restlichen Anschlüsse durch.
Danach schaute ich mir die getätigten Anrufe an. Der einzige, der in den vergangenen vierundzwanzig Stunden nach draußen gegangen war, zeigte eine Nummer in Manhattan, die ich zuvor schon im Kurzwahlverzeichnis gesehen hatte. Ich schloss eine kleine Privatwette mit mir ab, dass es sich um einen Limousinen-Dienst handelte und mit dem Anruf ein Wagen bestellt worden war. Vielleicht hatte Issa oder Tanya das Telefonat geführt, doch ich hätte gern gewusst, wohin die Fahrt gegangen war.
Anschließend gab es für mich nichts mehr zu tun, und ich holte meinen schwarzen bestickten Mantel aus der Garderobe. Bei seinem Anblick besserte sich meine Stimmung. Ich liebte diesen Mantel und hatte ihn, als Benny und ich durch das Fenster verschwanden, nur schweren Herzens zurückgelassen. Dann holte ich meine Handtasche aus dem Fitnessraum und öffnete sie, um
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