Vampire mögen ́s heiss
betrachtete den fast vollen Mond. Die Wolken hatten sich verzogen und die silberne Kugel leuchtete hell und klar.
In diesem Moment bemerkte sie eine leichte Bewegung. Südlich von ihr stand jemand auf einem großen Granitvorsprung, mit dem Rücken zu ihr. Wolkenfetzen umgaben den Mann und ließen seinen Kilt flattern. Sein kastanienbraunes Haar glänzte im hellen Mondlicht.
Um ihn herum waberten Nebelschwaden, was ihm eine ätherische Aura verlieh. Er kam Emma vor wie der Geist eines Highlanders. Sie seufzte. Von diesen tapferen Kriegern, die sich gegen das Böse stellten, könnte die Welt mehr gebrauchen.
Manchmal hatte sie das Gefühl, dass die Guten den Geschöpfen der Nacht zahlenmäßig hoffnungslos unterlegen waren. Sie war weit und breit die einzige Vampirjägerin, davon ging sie zumindest aus. Das lag zum Teil natürlich auch daran, dass die meisten Menschen ohnehin nicht an die Existenz von Vampiren glaubten. Doch es lag auch an ihrem infizierten und schwachen Boss, Sean Whelan. Er gab sich keine Mühe, ihr kleines Team aus nur vier Agenten zum Kampf gegen Vampire aufzustocken. Sie konnten also nicht viel mehr tun als beobachten und Recherchen anstellen.
Doch das reichte Emma nicht - zumindest nicht seit der schrecklichen Nacht vor sechs Jahren. Aber anstatt sich mit den schlimmen Ereignissen abzufinden und einfach zu trauern, hatte sie sich Rache geschworen. Am besten konnte man einen Vampir erledigen, wenn er gerade bei der Nahrungsaufnahme war. Ein kurzer, kräftiger Stoß mit dem Holzpflock in sein Herz, und schon war sie dem Ziel, ihren Seelenfrieden zu finden, ein großes Stück näher.
Sie tätschelte ihre Tasche mit den Pflöcken. Mit einem wasserfesten Markierstift hatte sie auf die eine Hälfte der Pflöcke Dad geschrieben, auf die andere Hälfte Mum. Die Pflöcke waren bestes Handwerkszeug, und bisher hatte sie schon vier Vampire erwischt. Aber es konnten nie genug sein.
Ihr Blick glitt wieder hinüber zu dem Mann im Kilt, der immer noch auf dem Granitvorsprung stand.. Wo waren all die mutigen Männer hin, die sich allein der Gefahr zu stellen wagten?
Der Nebel löste sich auf und nun waren die Umrisse des Mannes im hellen Mondlicht klar zu erkennen. Ihr stockte der Atem - der Mann war wunderschön. Er hatte breite, stattliche Schultern und unter dem flatternden Kilt muskelbepackte Waden. Er war sicher ein großer Krieger, stark und erbarmungslos.
Plötzlich beugte er sich nach vorn, packte den Saum seines Kilts und sah darunter. Er ließ den Saum wieder los und begann, an irgendetwas unterhalb seiner Hüfte zu fummeln. Emma erschrak. Spielte er etwa an sich selbst herum? Jetzt führte er etwas an die Lippen und trank. Etwas glitzerte metallisch. Ein Flachmann, na super. Ein perverser Trunkenbold. Mit einem Seufzen wandte Emma sich ab und setzte ihren Weg in nördlicher Richtung fort.
Wie bescheuert, sich diesen Typen als einen mutigen Highland-Krieger vorzustellen! Natürlich war er nichts anderes als einer dieser Rock tragenden, Whisky saufenden Proleten, die nach dem Festumzug durch die ganze Stadt torkelten. Und außerdem konnte sie sich Sentimentalitäten in ihrem Business ohnehin nicht gestatten. Der Feind war schließlich auch gnadenlos.
Knirsch. Emma blieb stehen und lauschte. Der Weg beschrieb eine Kurve nach links und war für sie nicht einsehbar. Aber sie hörte Schritte, die durch das Laub auf sie zukamen. Schnell huschte sie ins Gebüsch und versteckte sich hinter einem Baum. Die Schritte kamen näher.
Ein Mann tauchte in ihrem Blickfeld auf. Emma hielt den Atem an. Er trug einen langen schwarzen Trenchcoat - genau wie der Vampir, den sie letzte Nacht getötet hatte. Vielleicht kauften sie ja alle im selben Laden, Vampires 'R' Us oder so was. Sie setzte ihre Tasche ab und kramte einen Holzpflock heraus.
Der Mann kam näher. Es wäre leichter, ihn umzubringen, wenn er bei der Nahrungsaufnahme wäre, aber es war weit und breit kein Opfer in Sicht. Emma steckte den Pflock hinten in ihren Gürtel. Dann würde sie sich eben selbst als Beute ausgeben.
Schnell sprang sie zurück auf den Weg und schlenderte dem Fremden entgegen. Unschuldig sah sie ihn an: „Ich glaube, ich habe mich verirrt. Wissen Sie, wie ich wieder aus dem Park herauskomme?"
Der Mann blieb stehen und lächelte sie an. „Auf jemanden wie dich habe ich gewartet.“
Natürlich. Jemand, den er leer trinken konnte. Elender Blutsauger! Emma stellte sich breitbeinig hin, damit sie im Falle eines Angriffs nicht
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