Vampire's Kiss
auf ihrer Stirn, aber dann nickte sie kurz und kam meiner Aufforderung nach.
»Jetzt mach irgendwas damit.«
»Was denn?«
»Irgendwas eben«, wiederholte ich.
Sie starrte die abgewetzten Polster der Couch an, als könnten die ihr die Antwort liefern. »Zum Beispiel?«
»Keine Ahnung. Wie wäre es mit Fingernägel säubern?«
Das Stimmengewirr im Raum war etwas leiser geworden. Ich merkte, dass einige der Eingeweihten zu uns herüberschauten.
Emma bewegte lautlos die Lippen. Fingernägel säubern?
Meine Freundin vertraute mir – das musste ich ihr lassen. Und das gefiel mir an ihr. Ich nickte ihr aufmunternd zu, und sie begann tatsächlich ihre Nägel zu säubern. Ich weiß nicht, wie sie das schaffte, ohne sich zu schneiden. Es war wirklich eine hässliche Klinge, mit der man eher ein Wildschwein häuten als eine Maniküre improvisieren konnte.
Trinitys Stimme drang laut und deutlich durch den Aufenthaltsraum. Man konnte hören, dass sie wütend war. »Hast du vergessen, wo du dich befindest?«
Ich sah sie mit Unschuldsmiene an. »Seit wann ist Nägelsäubern verboten?«
Eine der Eingeweihten wollte sich erheben, aber Trinity stoppte sie mit einem kurzen Blick. Dann sah sie wieder mich an und rammte ihre Waffe tief in die Sessellehne. »Nimm dich in Acht, Acari! Du kannst damit rechnen, dass wir in Kürze vollenden werden, was wir begonnen haben.«
In den Händen der übrigen Guidons erschienen jetzt ebenfalls Waffen – vor allem Messer, aber daneben auch ein paar abartige Dinge. Ein nadeldünnes Stilett etwa. Ein Schlagring. Ein Mädchen holte eine Art Blasrohr aus dem Ärmel; ich nahm mir vor, in Zukunft einen weiten Bogen um sie zu machen.
Ich wusste nicht, woher meine Courage – oder meine Dummheit – kam. Ich wusste nur, dass ich mich bereits mehrfach – und beinahe mit Erfolg – gegen die Guidons zur Wehr gesetzt hatte. Vampire schienen glühende Verfechter der Lehre vom Überleben der Tüchtigsten zu sein.
»Leere Versprechen.« Ich brachte meine Hand näher an die Wurfsterne heran, die ich im Stiefelschaft befestigt hatte.
Trinity gefiel meine Unverfrorenheit gar nicht. Ich sah, wie sich ihre Porzellanwangen röteten, aber ihre Stimme blieb kalt und ruhig. »Vielleicht ziehen wir dich das nächste Mal splitternackt aus – falls dein Anblick im BH die Jungs nicht für immer abgeschreckt hat.«
Die anderen Mädchen kicherten.
»Du bleibst im Ernst auf dieser albernen Schiene?« Ich straffte die Schultern und setzte mich sehr gerade hin. So flach wie ein Brett war ich nun auch wieder nicht. »Zumindest gehöre ich nicht zu diesen armseligen reichen Connecticut-Zicken mit dem Hirn eines Troglodyten und der Bosheit einer Xanthippe.« Ich sah Emma an. »Wenn John Cheever Horrorgeschichten geschrieben hätte, kämst du garantiert darin vor.«
»Hey, was soll das?« Trinity war aufgesprungen. »Diesen verfickten Scheiß versteht doch kein Mensch.«
Ich biss mir auf die Lippe, um nicht loszulachen. Ich hatte gewusst, dass Trinity nicht die Allerhellste war, aber jetzt lieferte sie selbst den Beweis, wie dämlich sie sein konnte.
Jemand ließ sich auf die Armlehne der Couch plumpsen. »Keine Gossensprache, Schätzchen.«
Trinity funkelte mich an, ohne Amanda zu beachten. »Ist doch voll egal«, fauchte sie.
Unsere Aufseherin ließ den Blick durch den Aufenthaltsraum schweifen und registrierte das ansehnliche Waffenarsenal. Die steile Falte zwischen ihren Augenbrauen sagte mir, dass sie gecheckt hatte, was hier vorging. »Packt eure Spielsachen weg!«
Emma gehorchte, doch die älteren Mädchen sahen Amanda herausfordernd an.
Amanda versteifte sich. »Ich sagte Waffen runter! «
Eine nach der anderen verstaute, wenn auch zögernd, das scharf geschliffene Beiwerk.
»Geht doch.« Sie wandte ihre Aufmerksamkeit den Guidons zu. Ihre Haltung wirkte lässig, ihr Tonfall eher hart. »Ich soll den Abschluss-Semestern Bescheid geben. Nach Auskunft von Priti findet der Sportunterricht heute nicht in der Halle, sondern drüben in der Bucht statt. Irgendwas mit Kampftechniken bei mittlerer Entfernung vom Gegner. In der Brandung.«
Murrend zerstreute sich die Clique. Ich war froh, dass ich saß. Andernfalls hätten mich einige der Herzchen beim Hinausgehen garantiert angerempelt.
Amanda blieb und musterte mich mit einer Mischung aus Strenge und Anerkennung. »Acari Drew, du musst lernen, dich ein wenig zurückzunehmen.«
Ich nickte, auch wenn ich innerlich nicht mit ihr übereinstimmte. Inzwischen
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