Vampire's Kiss
– das hieß Sucher und Acari. So viel zu unserem Moment.
»Kannst du gehen?«, fragte er.
Ich schaffte einen Schritt und noch einen, ein wenig nach rechts gekrümmt, in den Schmerz hinein, aber ich konnte mich bewegen. »Ja«, sagte ich, ein wenig erstaunt über mich selbst.
Er nickte. »Das Hinlegen tut mehr weh als das Gehen.«
Ich sah ihn mit gerunzelter Stirn an.
»Keine Sorge«, meinte er mit einem sarkastischen Lächeln. »Das Schlimmste ist immer erst der zweite Tag.«
Nun war ich echt sauer. »Du freust dich wohl, dass ich verletzt bin?«
Das überhörte er. Im Augenblick zumindest. »Du wirst die Muskeln massieren müssen, damit sie nicht verhärten.«
Er beugte sich über den toten Draug und barg unsere Waffen aus seinem Fleisch, so ruhig und gelassen, als tranchierte er den Truthahn zum Erntedankfest. Schwarzer Schlick hatte sich in einer Pfütze um den Kopf des Monsters gesammelt und tropfte immer noch aus der Pflockwunde. »Der Geruch wird schon bald seine Artgenossen auf den Plan rufen.«
Durch das Herausziehen der Waffen quoll erneut Schlamm aus dem Kadaver. Ich presste eine Hand über Mund und Nase. »Geruch nennst du das? Das Zeug stinkt wahrscheinlich bis nach Island.«
»Ein Draug schleppt alle möglichen Krankheiten mit sich herum. Und er verwest bei lebendigem Leib. Wie soll das deiner Meinung nach riechen?« Er riss eines der harten Grasbüschel aus, wischte damit die Wurfsterne und den Holzpflock ab und gab mir meine Waffen zurück. »Die musst du nach unserer Rückkehr noch einmal gründlich putzen.«
»Eklig«, murmelte ich, mehr als erleichtert, dass mir die erste Säuberung erspart geblieben war. Der Schlick warf Blasen und war wirklich zäh wie Teer.
»Und jetzt wird es höchste Zeit, dass wir von hier verschwinden«, sagte er.
Ich wirbelte auf dem Absatz herum und biss die Zähne zusammen, weil die Bewegung neue Schmerzen auslöste. »Das musst du mir nicht zweimal sagen.« Ich war nicht scharf darauf, irgendwelchen Monstern zu begegnen, die es auf einen derart faulig stinkenden Kadaver abgesehen hatten.
Angeschlagen, wie ich war, kamen wir nur langsam voran, aber sobald wir einen gewissen Abstand zu dem toten Draug hergestellt hatten, begann ich zu reden. Ich hatte Fragen, ja. Aber in erster Linie hatte ich Angst vor der Predigt, die Ronan jetzt vermutlich in Gedanken vorbereitete. Um ihn abzulenken, fragte ich: »Es gibt also noch mehr Draugs auf der Insel?«
Er nickte knapp.
Okay. Offensichtlich war ihm nicht nach Plaudern zumute. Aber ich musste mir Klarheit verschaffen … »Warum schleichen diese Draug eigentlich durch die Gegend und greifen uns an? Ich meine, sie könnten sich doch gegenseitig anfallen und fressen.«
»Ihr Hauptantrieb ist die Nahrungssuche. Sie brauchen Blut zum Überleben. Aber dazu kommt ein anderer Instinkt. Die Sehnsucht nach den Lebenden.«
»Ich weiß nicht, ob ich das jetzt unbedingt hören wollte.« Ich kämpfte gegen die Gänsehaut an, die mir diese Antwort beschert hatte. Ich empfand Dankbarkeit, dass Ronan gerade noch rechtzeitig aufgetaucht war. Andernfalls würde ich jetzt auch nicht mehr unter den Lebenden weilen. »Was war das für eine Waffe, mit der du ihn getötet hast?«
»Ich trage diese Dinger –«, er ließ einen der Stäbe aus dem Ärmel gleiten, »– immer bei mir.« Ich registrierte erleichtert, dass er sich bei diesem Thema ein wenig zu lockern schien.
Meine Neugier war auch nicht gespielt. Die Stäbe sahen harmlos aus, waren aber eindeutig tödlich. Gab es noch mehr Leute, die heimlich unbekannte Waffen mit sich herumschleppten? Und, noch wichtiger: Brauchte ich solche Stäbe?
»Darf ich?« Ich streckte unsicher die Hand aus und spürte einen leisen Schauer, als er mir den Stab nach einem kurzen Zögern aushändigte. Er war lang und spitz und hatte durchaus sein Gewicht. Zu meiner Überraschung stellte ich fest, dass er aus Holz geschnitzt war. »Cool.«
»Das finde ich auch.«
»Hast du den selbst gemacht?«
Er schien kurz zu überlegen, doch dann nickte er. »Aye. Obwohl ich im Allgemeinen nicht gern darüber rede.«
Also waren das geheime Stäbe. Und das leuchtete auch ein. Vampire fanden es sicher nicht gut, wenn Nicht-Vampire mit Waffen herumliefen, die ihnen den Tod bringen konnten. Die Geheimniskrämerei öffnete meine Schleusen; ich brannte darauf, alles zu erfahren. »Ist das ein besonderes Holz? Und überhaupt, wo auf dieser Insel gibt es so etwas?« Bei dem spärlichen Pflanzenwuchs auf dem
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