Vampire's Kiss
verbotenes Gelände begeben. Ich hatte praktisch sämtliche für uns Acari geltenden Regeln gebrochen.
Mein Magen hatte sich in einen Eisklumpen verwandelt, als mir klar wurde, dass Master Dagursson womöglich doch noch auf seine Kosten kam. Denn eine Strafe würde mir nicht erspart bleiben.
Wie sollte ich das alles erklären? Meine Gedanken überschlugen sich, während ich versuchte, eine Antwort zu formulieren.
Aber Ronan ergriff das Wort, ehe ich etwas sagen konnte. »Ein Unfall während des Kampfsport-Trainings.« Seine Stimme war kälter und ausdrucksloser als je zuvor. »Ich erteilte Acari Drew eine Zusatzlektion, und bei einem unserer Würfe stürzte sie auf einen Felsbrocken. Sie hat sich am Rücken verletzt und eine Fleischwunde am Arm davongetragen.«
Ich klappte den Mund zu und presste die Lippen zusammen. Ronan hatte gelogen. Für mich .
Das bedeutete, dass wir beide nun ein Geheimnis teilten. Sogar zwei Geheimnisse, wenn man seine Holzstäbe mitzählte. Und das wiederum bedeutete, dass er mir vertraute.
Es war eine Wende, die andere Dinge nach sich zog. Düstere, rätselhafte Dinge, die es noch auszuloten galt.
Ich hatte mich entschieden, mein Shuriken-Training auf der Rasenfläche vor der Turnhalle abzuhalten. Mein Zusammenstoß mit dem Draug war ein Weckruf gewesen. Ich musste immer auf unangenehme Begegnungen vorbereitet sein. Meine Rippe hatte zum Glück nur einen Haarriss dicht neben dem Brustbein abbekommen, aber diese Insel kannte nichts außer Leben oder Tod, und eine Verletzung galt hier nicht als Entschuldigung, sondern als Ausrede. Ganz offensichtlich musste ich mich nicht nur vor meinen Feinden, sondern auch vor Monstern in Acht nehmen, und da ich von keiner der beiden Seiten Mitleid erwarten konnte, begann ich trotz meiner höllischen Schmerzen verbissen zu trainieren.
Der kleine Platz im Freien eignete sich am besten für meine Zwecke. Zum einen konnte ich hier ungestört mit meinen Wurfsternen üben, und zum anderen wollte ich, zugegeben, auch eine kleine Schau abziehen. Ich war als Nerd verschrien, und es schadete bestimmt nicht, die Guidons daran zu erinnern, dass ich einigermaßen helle und stark war.
Ronan kam eilig aus der Turnhalle und trocknete sich noch auf der Treppe Gesicht und Nacken mit einem Handtuch ab. Als er mich sah, blieb er abrupt stehen. Das Training hatte ihn gefordert. Er atmete schwer, seine Wangen waren erhitzt und seine Sachen schweißnass.
Von so viel herber Männlichkeit ein wenig aus dem Gleichgewicht gebracht, vergaß ich ganz, ihn zu grüßen, und plapperte einfach los. »Ich verstehe nicht, wie du bei diesem Wetter nur mit einem T -Shirt durch die Gegend laufen kannst. Sicher, es ist Sommer, und wenn du immer hier gelebt hast –«
Er schnitt mir das Wort ab. »Es scheint dir allmählich besser zu gehen.«
Mein Redeschwall hatte mich gezwungen, tief Luft zu holen, und sofort schoss ein heftiger Schmerz durch meine Brust. Ich krümmte mich nach rechts und presste einen Arm gegen die Rippen. »Das täuscht. Ich fühle mich sterbenselend. Aber vielen Dank für deine Nachfrage.«
Er schaute sich um und trat dann näher. »Du bist jetzt stabil genug, um dir anzuhören, was ich zu sagen habe. Welcher Teil der Regel Acari dürfen nicht vom Weg abweichen ist denn so schwer zu verstehen, Acari Drew?«
Da kam sie – meine Strafpredigt. Dabei hatte ich gehofft, dieser Punkt sei bereits abgehakt. Naiv, wie ich war, hatte ich mit Ronan, dem starken Helfer, sanften Heiler und raffinierten Lügenerzähler, gerechnet und nicht mit Ronan, dem wutschnaubenden Lehrer.
Ich stellte meine Stacheln auf. »Ich weiß, was der Satz bedeutet.«
»Offensichtlich nicht.«
Ich hatte es satt, wie ein dummes Schulkind behandelt zu werden. Ich hatte den Semesterwettbewerb gewonnen – falsch, ich hatte diesen blöden Semesterwettbewerb mit Bravour gewonnen! Ich war cool, ich war schlau, ich konnte ein Geheimnis für mich behalten. Ich fand, dass ich seinen Respekt verdient hatte.
Scheinheilig drehte ich mich um und sagte: »Ich bin auf dem Weg.«
Er sah aus, als würde er gleich explodieren. »Du weißt genau, was ich meine.«
»Hey, ich bin doch nur dir gefolgt.« Ich verschwieg, dass ich ihn mit diesem Mann im Kapuzenumhang gesehen hatte – ein vages Gefühl riet mir, diese Wahrheit für mich zu behalten. »Du hast den Weg verlassen. Die Vampire wären sicher nicht begeistert, wenn sie wüssten, wo du dich überall herumtreibst.«
Seine Kiefermuskeln spannten sich
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