Vampire's Kiss
an, als er die Zähne zusammenbiss. Allem Anschein nach hatte ich einen Treffer gelandet. Als Ronan Master Dagursson wegen meiner Wunden belogen hatte, war ich davon ausgegangen, dass er mich schützen wollte. Nun aber dämmerte mir, dass er vielleicht auch sich selbst geschützt hatte.
»Du benimmst dich idiotisch«, stieß er verächtlich hervor. »Ich weiß auch nicht, weshalb ich mehr von dir erwartet hatte. Du glaubst, dass du über den Dingen stehst, Annelise. Hältst dich für eine kühne Einzelkämpferin. Aber genau das war es, was meiner Schwester den Tod brachte.« Mit einem Mal war die Wut aus seiner Stimme gewichen. »Charlotte fiel ihrem jugendlichen Ungestüm zum Opfer. Und dir wird es nicht anders ergehen.«
»Ich bin nicht deine Schwester«, entgegnete ich gereizt. Ich war erschöpft, körperlich und psychisch. Ich empfand Trauer und Zorn, aber der Zorn blieb Sieger. Ich humpelte zur Zielscheibe und sammelte meine Wurfsterne ein. »Ich bin kein Kind mehr. Ich musste mein Leben lang für mich selbst sorgen. Du hattest wenigstens eine Familie – ich nicht. Du ahnst ja nicht, was das bedeutet.«
Er blieb hinter mir stehen. »Spürst du so etwas wie einen Todeswunsch?«
»Das ist doch lächerlich.« Als ich mich bückte, um die Shuriken in meinem Stiefel zu verstauen, blieb mir die Luft weg.
»Dann hör auf, dich wie ein Kind zu benehmen.«
Ich richtete mich auf, ohne auf den stechenden Schmerz in meiner Brust zu achten, und funkelte ihn wütend an. »Dann hör du auf, mich wie ein Kind zu behandeln.«
Ronan warf einen Blick über meine Schulter und versteifte sich. Gleichzeitig wurde seine Miene völlig undurchdringlich.
Eine Gänsehaut lief mir über den Rücken, und durch die Atmosphäre, die mich umgab, ging ein Knistern wie beim Nahen eines Sturms. Ich spürte die Anwesenheit des Vampirs, noch bevor ich ihn gesehen hatte.
Alcántara . Es gab nur einen Grund für sein Auftauchen vor der Turnhalle, und dieser Grund war ich. Ronan wandte sich wieder mir zu, und ich begegnete seinem düsteren und vielsagenden Blick mit einem Lächeln.
Das war genau das kindische Benehmen, das er mir vorgeworfen hatte, und in den weiblichen Triumph, den ich empfand, mischte sich ein tiefes Bedauern. Ein Teil von mir wusste, dass er recht hatte – ich hatte ein paar dämliche, impulsive Entscheidungen getroffen, und jetzt bewies ich erneut meine totale Unreife.
»Guten Tag, Acari Drew.« In seiner Stimme schwang keine Spur von Wärme mit, kein Annelise und kein Hinweis auf den fürsorglichen Ronan von früher.
Ronan und Alcántara – die beiden schlossen sich gegenseitig aus. Je näher ich dem einen kam, desto distanzierter reagierte der andere.
Ich war verwirrt und zutiefst beunruhigt, als er sich abwandte und ging. Mir war, als hätte ich einen Freund verloren und dafür einen Vampir gewonnen.
Aber vielleicht musste ich mich besser gegen meine Gefühle stählen. Amanda selbst hatte mir gesagt, dass es auf dieser Insel keine Verbündeten gab. Und das letzte Wort in allen Dingen hatten immer die Herrschaften mit den Fängen.
Ich nahm mich zusammen und setzte eine selbstsichere Miene auf, ehe ich mich umdrehte. » Buenos días , Master Alcántara.«
Das gefiel ihm, und er beglückte mich mit einem verheißungsvollen, etwas schwülen Lächeln. »Wenn wir unter uns sind wie jetzt, querida , darfst du mich Hugo nennen.«
Ich klappte den Mund auf, um irgendetwas zu erwidern, aber ich fand keine Worte. Hugo? Ich war platt. Und plötzlich sehr nervös.
Er legte mir mit einem leisen, glutvollen Lachen eine Hand auf die Schulter. »Keine Sorge, du kleine Unschuld. Betrachte es als Übung für unsere bevorstehende Mission. Du musst lernen, andere zu täuschen – dich als jemand auszugeben, der du nicht bist.«
»Also gut – Hugo.« Meine Stimme klang belegt. Ich steuerte gerade durch ein mehr als trügerisches Gewässer.
Meine Rippen pochten wie verrückt, und seine Hand lag zentnerschwer auf meiner Schulter. Dennoch zwang ich mich, sehr gerade zu stehen und mir nichts von meinen Schmerzen anmerken zu lassen. Vertraulichkeit hin oder her – noch war ich nicht bereit, die Sprache auf meine Verletzung zu bringen. Ich hatte einen riesigen, purpurnen Fleck unterhalb der Brust, auf den er garantiert voll angesprungen wäre.
Er trat näher. »Hat dir die Rose gefallen?«
Ich rührte mich nicht vom Fleck, obwohl mir sämtliche Instinkte zum beschleunigten Rückzug rieten. »Doch, sehr. Vielen Dank.«
»Du bist
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