Vampirjagd: Roman (German Edition)
schloss sie aber sofort wieder.
Da begriff Vanessa, weshalb sie schon am Vormittag zum Postamt gehen sollte. Berni wollte nicht, dass sie dabei war, wenn er den Brief las. Das mangelnde Vertrauen ärgerte sie. Stammte das Schreiben vielleicht von einer Geliebten, die er vor ihr verheimlichen wollte? Eine andere Möglichkeit fiel ihr auf Anhieb nicht ein.
»Was ist eigentlich mit dem letzten Brief?«, fragte sie, da sie die Anspannung nicht mehr ertrug.
»Welcher Brief? Ach so, der da! Der enthält nichts Geschäftliches, sondern stammt von einem früheren Freund, mit dem ich nichts mehr zu tun haben will.«
Bernis Stimme klang gepresst, und Vanessa war sicher, dass er ihr nicht die Wahrheit sagte. Auch schwitzte er und roch nach Angst. Hatte er vielleicht eine Leiche im Keller? Wenn dies so war, würde sie ihm beweisen, dass sie bei allen Problemen und Schwierigkeiten zu ihm hielt und ihn unterstützte, wie es sich für eine gute Ehefrau gehörte.
13
Daniela betrachtete die altmodische, ein wenig düstere Einrichtung des Kaffeehauses Hawelka mit den vielen Bildern und Plakaten an den vertäfelten Wänden und sagte sich, dass jemand wie Urban, der bereits mehr als zwanzig Jahrzehnte lebte, sich hier wohlfühlen musste. Auch sie zog Kaffeehäuser dieser Art vor, obwohl sie noch keine fünfundzwanzig war. Doch das Wissen, einer Art anzugehören, die weitaus älter als normale Menschen werden konnte, hatte dazu geführt, dass auch sie sich mehr wie eine distinguierte Dame benahm und nicht wie eine junge Frau.
Der Ober, der auf sie zutrat, beendete ihr Gedankenspiel. Sie bestellte sich einen Verlängerten und nahm eine Zeitung zur Hand. Viel Aufregendes stand nicht darin. Politik interessierte sie ebenso wenig wie Sport, und dem Feuilleton schenkte sie auch nur einen kurzen Blick. Zwar zählte ihr Ehemann Urban zu den erfolgreichsten Malern Österreichs, doch gerade das reizte die Kulturkritiker, sich über ihn zu ereifern.
Im Lokalteil las sie, dass in Gänserndorf eine Bank ausgeraubt worden war. Es handelte sich bereits um den dritten Überfall innerhalb eines Monats, und die Polizei tappte noch immer im Dunkeln. Verdächtigt wurde eine osteuropäische Bande, da die Kommandos an die Kunden und die Bankbediensteten mit vermutlich slawischem Akzent gegeben worden waren.
Daniela legte die Zeitung beiseite und musterte die übrigen Gäste. Die ausländischen Touristen, die zu manchen Zeiten den Aufenthalt hier fast unmöglich machten, waren wohl noch zu den Sehenswürdigkeiten Wiens unterwegs. Nur am anderen Ende des Lokals fielen ihr zwei ältere Damen auf, die ängstlich zum Nebentisch hinüberstarrten.
Dort saß ein junger Mann in teuren Jeans und einem rot-gelb gemusterten Hemd. Am linken Handgelenk trug er eine protzige Rolex und um den Hals eine daumenbreite Kette aus Feingold. Mit seiner Solariumsbräune und den schulterlangen, gestylten Haaren fiel er auf, und seine Haltung verriet, dass er von seiner Umgebung beachtet werden wollte.
Doch es war nicht der Mann, der die beiden Damen erschreckte, sondern der kalbsgroße Hund, den er lässig an einer Leine hielt. Daniela musterte den großen Schädel mit dem kräftigen Gebiss des Tieres und ärgerte sich. So einen Hund hier hereinzubringen, hielt sie für eine Unverschämtheit, und sie fragte sich, wieso die Ober des Hawelka dies zugelassen hatten.
Der Rottweiler bleckte die Zähne in Richtung der alten Damen und ließ sie nicht aus den Augen. Die beiden versuchten wegzuschauen, zahlten dann und verließen das Lokal, ohne ihre Tassen ausgetrunken zu haben.
Der Ober warf einen kurzen und, wie Daniela fand, anklagenden Blick auf den Hund, wagte aber nichts zu sagen. Nun wurde dessen Besitzer auf Daniela aufmerksam. Er stand auf und kam, den Hund an der Leine, zu ihrem Tisch. Ohne zu fragen, setzte er sich und grinste sie an.
»So allein am Tisch zu sitzen ist doch langweilig, schöne Frau.«
»Ich warte auf jemand«, sagte Daniela in abweisendem Ton.
Der junge Mann lachte nur und wies den Ober an, seinen Kaffee an diesen Tisch zu bringen.
»Ich glaube nicht, dass er das tun wird, wenn er mich und meine Freunde als Stammkunden behalten will«, sagte Daniela laut genug, damit der Ober es hören konnte.
Dieser fühlte sich seiner Miene nach in einer Zwickmühle. Daniela und deren Bekannte gehörten zur besseren Gesellschaft und waren daher gern gesehene Gäste. Die wollte er um nichts in der Welt verlieren. Doch er wagte nicht, der Anweisung des jungen
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