Vampirjagd: Roman (German Edition)
zutiefst.
Daniela und er kamen nicht dazu, sich länger über dieses Thema zu unterhalten, denn die Türe ging auf und Dilia trat ein. Die hochgewachsene Modistin steckte noch immer in Jeans und einem nun arg verknautschten T-Shirt.
Müde, aber immer noch angespannt sah sie ihre Freunde an. »Ihr frühstückt gerade. Habt ihr noch was für mich übrig? Ich habe einen Mordshunger!«
»Setz dich!« Urban stand auf und rückte Dilia einen Stuhl zurecht.
Diese ließ sich darauf nieder, griff sich ein Glas Blutorangensaft und leerte es in einem Zug. »Das hat gutgetan«, sagte sie, als sie das Glas wieder abstellte. Dann angelte sie sich eine daumendicke Scheibe Blutwurst und steckte sie in den Mund. Noch während sie kaute, sprach sie weiter. »Das war ein Schuss in den Ofen. Ich bin die ganze Nacht kreuz und quer durch Wien gefahren, habe aber außer einer horrenden Taxirechnung nichts zustande gebracht. Fast kommt es mir so vor, als hätte jemand meine Spürfähigkeiten lahmgelegt.«
Daniela wechselte einen beredten Blick mit Urban. Schon einmal hatte Dilia ihre spezielle Begabung verloren, andere Vampire zu entdecken, und daran war der Einfluss der schwarzen Königin schuld gewesen. Nun sah es so aus, als würde sich dieses tödliche Spiel wiederholen.
»Hoffentlich haben wir es nicht schon wieder mit einem Supervampir zu tun!«, stöhnte Daniela.
Dilia zuckte zusammen. »Lieber Herrgott, bloß das nicht!«
»Wir müssen aber damit rechnen«, antwortete Urban nachdenklich. »Fakt ist, es gibt einen unbekannten Vampir. Das haben sowohl du wie auch Daniela zweifelsfrei festgestellt. Zweitens könnt ihr diesen Vampir nicht ausmachen. Also muss er spezielle Fähigkeiten haben und sich tarnen können. Drittens hat jemand in dieser Nacht versucht, uns das Haus über dem Kopf anzuzünden. Das erinnert mich daran, dass ich heute noch eine Alarmanlage im Garten einbauen lassen muss. Ich will nicht, dass die Schurken unbemerkt wiederkommen und es ein zweites Mal versuchen.«
»Also kämpfen wir wieder einmal um unsere Existenz.« Dilia klang weniger aufgeregt als bedrückt. Seit Jahrzehnten führte sie nun schon ein Leben auf Messers Schneide, immer bemüht, ihren Durst nach Menschenblut in zivilisierte Bahnen zu lenken, um kein Misstrauen zu erwecken. Der Gedanke, nach der schwarzen Königin einem weiteren gnadenlosen Gegner gegenüberzustehen, raubte ihr beinahe die Kraft, sich weiter gegen das Schicksal zu stemmen.
Daniela versetzte ihr einen leichten Klaps. »So leicht geben wir nicht auf! Wer sich mit uns anlegt, muss damit rechnen, dass wir zurückschlagen. Und jetzt iss! Nach einem guten Frühstück schaut die Sache schon ganz anders aus.«
14
Stela spürte ihren Herrn schon eine Weile, bevor sie ihn sehen konnte. Er kam langsam über den Stephansplatz auf sie zu, blieb kurz stehen, als er sie entdeckte, und grinste zufrieden. Wahrscheinlich glaubte er, sie hätte sich gestern aus Angst versteckt, weil sie nicht genug Geld zusammengebracht hatte, und die Nacht über in irgendeinem Hauseingang geschlafen.
Mit betont festen Schritten trat er auf sie zu und blickte sie streng an. Sie hier an Ort und Stelle zu bestrafen, wagte er nicht mehr, da sich mit Sicherheit jemand einmischen oder gar die Polizei rufen würde. Daher beugte er sich über sie und legte ihr die Rechte auf die Schulter.
»Glaube ja nicht, dass du auf eigene Rechnung arbeiten kannst. Dafür bist du noch viel zu klein. Und jetzt rück das Geld raus, das du gestern eingenommen hast. Wehe, du behältst auch nur einen Cent für dich!«
Am Vortag hätte seine Drohung Stela noch erschreckt, doch jetzt empfand sie seine Worte als lächerlich. Wenn sie wirklich Geld vor ihm verstecken wollte, hätte sie dies nur am Körper tun können. Doch da sie sich einmal in der Woche nackt ausziehen und mit lauwarmem Wasser waschen musste, hätte er es spätestens dann gemerkt. Die einzige Möglichkeit, ihm Geld vorzuenthalten, war, es für etwas Essbares auszugeben, und das hatte sie vor. Immerhin hatte sie am Morgen nichts gegessen und spürte, wie ihr Hunger wuchs. Für einen kurzen Moment stellte sie sich vor, sich in ihre zweite Gestalt zu verwandeln und ihre Zähne in das Fleisch dieses Schurken zu schlagen. Dann aber schrak sie vor diesem Gedanken zurück. Auch wenn er ein schlechter Mensch war, hatte sie nicht das Recht, ihn zu töten.
Stela reichte dem Mann die Münzen, die sie am Vortag erbettelt hatte, wartete aber gleichzeitig auf sein Strafgericht,
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