Vampirjagd: Roman (German Edition)
versuchte sie, ihre Gedanken zu ordnen, und überlegte, wie sie ihre Opfer am schnellsten finden konnte.
Mit einem Mal zuckte sie zusammen. Das Gefühl, einer der sechs könnte in ihrer Nähe sein, war so stark, dass sie sich kaum umzudrehen wagte. Doch als sie aus dem Fenster schaute, sah sie Florian Grametz, der seinen nagelneuen Sportwagen auf der anderen Straßenseite anhielt und in sein Handy sprach.
Vanessa zahlte und ließ den halben Palatschinken zurück. Draußen suchte sie unter einer Markise Schutz vor der Sonne und beobachtete Florian. Er schien nervös zu sein, denn er wurde mehrmals laut und sah aus, als wollte er das Telefonat abbrechen.
»Ich bin jetzt in der Marxergasse«, hörte sie ihn sagen.
Es klang verärgert. Außerdem war da noch eine Unterschwingung, die Vanessa als Angst interpretierte. Vor allem aber roch sie Blut an ihm, so als wäre in seiner Nähe vor Kurzem Blut vergossen worden. Dann begriff sie, dass der Mann selbst getötet hatte. Die Erkenntnis traf Vanessa wie ein scharfer Hieb und schwemmte ihre letzten Bedenken hinweg.
Da fuhr Florian, das Mobiltelefon mit einer Hand ans Ohr gepresst, los. Dabei fluchte er mehrmals und prallte beinahe gegen einen Kleinlaster, der am rechten Straßenrand parkte. Im letzten Augenblick zog er den neuen Sportwagen herum, rammte fast ein Auto auf der Nebenspur und schoss dann mit durchdrehenden Reifen davon. Für Augenblicke lag der strenge Geruch nach verbranntem Reifengummi in der Luft, doch Vanessa roch noch etwas anderes, nämlich die Duftspur, die Florian hinter sich herzog und der sie folgen konnte wie ein Schweißhund der Fährte.
9
Florian schaltete das Handy aus und warf es auf den Beifahrersitz. »Der Erwin ist ein Depp, der Ferdinand auch und die anderen ebenfalls!«, schimpfte er vor sich hin. Für sein Gefühl hatte er richtig gehandelt und sah gar nicht ein, weshalb er sich von den anderen kritisieren lassen sollte. Noch einmal durchlebte er in Gedanken die Augenblicke in der Bank, als er abgedrückt und die Bankangestellte erschossen hatte. So machte man das, sagte er sich. Jetzt wussten die Banker wenigstens, was mit ihnen geschah, wenn sie nicht spurten. Damit würde jeder weitere Überfall ein Kinderspiel werden.
Mit diesem Gedanken bog er von der Neulinggasse in die Grimmelshausengasse ein und betätigte den Sender für das Garagentor. Ohne sich noch einmal umzusehen, fuhr er in die Garage, stieg aus und schloss das Tor durch einen weiteren Knopfdruck. Während er durchs Haus ging und in sein Zimmer trat, fühlte er sich richtig gut.
Mit einem Mal aber hatte er das Gefühl, als sei die Luft im Raum so stickig, dass er keine Luft mehr bekam. Daher öffnete er das Fenster, ohne zu ahnen, dass eine rachsüchtige Verfolgerin kurz vorher die Grimmelshausengasse erreicht hatte und sich auf ihn konzentrierte.
Vanessa umrundete das Gebäude, nützte eine offene Einfahrt, um in den Innenhof zu gelangen, und entdeckte sofort das Fenster, hinter dem der Gesuchte eben seinen Computer einschaltete, um eines seiner Spiele zu beginnen.
Florian ging auf Großwildjagd. Es galt, darin so viele Antilopen, Löwen, Giraffen und Elefanten wie möglich zu erlegen. Das hier ist meine Welt, nicht das miefige kleine Alpenland, dessen Pass in meiner Tasche steckt, dachte er, als er seinen letzten Rekord noch einmal gesteigert hatte.
In den nächsten Stunden verlor Florian sich in seinem Computerspiel und überlegte dabei, ob Toni es ihm so umprogrammieren konnte, dass er auch auf Gorillas, Schimpansen und Eingeborene schießen konnte.
Vanessa beobachtete in der Zwischenzeit, wie eine Frau Müll zu einem verschlossenen Müllhäuschen brachte. Da sie ein Versteck brauchte, folgte sie ihr, wartete, bis sie wieder herausgekommen war, und huschte hinein, bevor die Tür hinter der Frau ins Schloss fallen konnte.
Der Müllraum war überraschend sauber. Vor allem aber standen die Container so, dass sie sich dahinter verstecken konnte, ohne gesehen zu werden. Jetzt galt es nur noch, auf die Nacht zu warten und zu hoffen, dass sie der Spur ihres Opfers weiter folgen konnte.
10
Als die Dunkelheit hereinbrach, verließ Vanessa ihr Versteck. Ihre Sinne sagten ihr, dass Florian noch immer in seinem Zimmer war. Das Fenster stand einladend offen. So rasch sie konnte rannte sie zur Mauer und kletterte daran hoch.
Mit wenigen Griffen erreichte sie das Fenster, stieg leise ein und schloss es hinter sich. Innen war es noch dunkler als draußen, doch sie nahm
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