Vampirmelodie
unglaublich schön. Und das verschwenderische Wachstum und all die Üppigkeit hatten noch zugenommen, während ich weg gewesen war.
Ich schminkte mich, weil ich das Bedürfnis hatte, mich attraktiv zu fühlen. Und ich cremte ungefähr eine Tonne Feuchtigkeitslotion in meine frisch rasierten Beine und sprühte einen kleinen Spritzer Parfüm auf. Das war schon besser. Mit jeder Sekunde fühlte ich mich wieder mehr wie ich selbst, Sookie Stackhouse, die Bar-Teilhaberin und Telepathin, und weniger wie Sookie, der Knasti.
Dann drückte ich die Play-Taste des Anrufbeantworters.
Hier waren sie alle, die Leute, die glaubten, dass ich nie hätte verhaftet werden dürfen: Maxine, India, JB du Rhones Mutter, Pastor Jimmy Fullenwilder, Calvin, Bethany Zanelli (Trainerin des Highschool-Softballteams) und noch mindestens sieben weitere. Ich war wirklich gerührt, dass sie sich die Mühe gemacht hatten, mir telefonisch ihr Mitgefühl auszudrücken, obwohl ich im Gefängnis saß und die Möglichkeit bestand, dass ich ihre aufmunterndenWorte nie zu hören bekäme. Sollte ich jedem Anrufer eine Dankeskarte schreiben? Meine Großmutter hätte es getan.
Während ich Kennedy Keyes’ Stimme zuhörte, die erzählte, dass Sam gesagt habe, ich bräuchte heut nicht zur Arbeit zu kommen und solle mich erst mal ausruhen, sah ich am Zähler, dass ich nur noch eine weitere Nachricht hatte. Die Stimme eines Mannes, den ich nicht kannte, erklang: »Sie hatten kein Recht, mir die letzte Chance zu nehmen. Dafür werden Sie bezahlen, dafür sorge ich.« Ich sah auf die Nummer. Auch die kannte ich nicht. Schockierte mich die Entschlossenheit in seiner Stimme? Ja. Aber ich war nicht überrascht. Die Gedanken von Personen, die mir telefonisch eine Nachricht hinterlassen, kann ich nicht lesen, aber ich erkannte einen Vorsatz, wenn ich einen hörte. Mein anonymer Anrufer hatte jedes seiner Worte ernst gemeint.
Jetzt war es an mir, einen Anruf zu machen. »Andy, du musst zu mir kommen und dir etwas anhören«, sagte ich, als er an sein Handy ging. »Du hast vielleicht keine Lust, aber wenn ich in Gefahr schwebe, musst du mich beschützen, oder? Das habe ich doch nicht verloren, als ich verhaftet wurde?«
»Sookie«, erwiderte Andy. Er klang enorm müde. »Bin schon auf dem Weg.«
»Und tu mir einen Gefallen, ja? Es klingt verrückt, und ich weiß, dass du’s nicht tun willst, aber sag Alcee Beck, er soll sein Auto ausmisten. Ich bin ziemlich sicher, dass irgendetwas in seinem Auto ist, das da nicht hineingehört.« Ich hatte im Gefängnis so viel Zeit zum Nachdenken gehabt, dass ich mich an einen kleinen Zwischenfall erinnert hatte: Alcee Becks Auto, das am Rande des Waldes parkte. Die seltsame Bewegung, die ich im Augenwinkel wahrgenommen hatte. Die Tatsache, dass Alcee Beck es so verbissendarauf angelegt hatte, mich zu verhaften und vor Gericht zu sehen, dass ich dachte: Es ist fast so, als würde er unter einem Zauberbann stehen.
Das schien so gut zu passen, dass es sicher stimmte.
Kapitel 10
Sam hatte nicht gewollt, dass ich am Tag meiner Entlassung aus dem Gefängnis zur Arbeit komme, doch am nächsten Morgen ging ich hin. Einerseits war es so normal, dass mir meine Vorbereitungen ganz alltäglich vorkamen. Andererseits hatte ich im Gefängnis zeitweise gedacht, dass ich das Merlotte’s vielleicht nie wieder betreten würde, und so war ich doch recht nervös vor meinem ersten öffentlichen Auftritt nach einer solch schlimmen Anschuldigung.
Andy Bellefleur hatte sich die Drohung auf meinem Anrufbeantworter angehört und die Minikassette mitgenommen. Warum nur war ich nicht klug genug gewesen, mir eine Kopie davon zu machen, ehe er wegfuhr, dachte ich jetzt. Ob er Alcee Beck meinen Vorschlag ausgerichtet hatte, hatte ich ihn gar nicht erst fragen müssen. Aus Andys Gedanken erfuhr ich, dass er es nicht getan hatte und dass Andy mit Alcee bereits auf schlechtem Fuß stand, weil er standhaft gegen meine Verhaftung gewesen war, während Alcee immer weiter darauf gedrängt hatte. Darum würde ich mich also selbst kümmern müssen.
Da Jason mir erzählt hatte, wie sehr Sam sich über meine Verhaftung aufgeregt hatte, erwartete ich ein herzliches Willkommen bei meiner Rückkehr ins Merlotte’s. Ich hatte sogar erwartet, dass Sam mich am Abend zuvor anrufen würde, doch das hatte er nicht getan. Als ich ihnjetzt hinter dem Tresen stehen sah, ging ich lächelnd auf ihn zu, um ihn in die Arme zu schließen.
Sam sah mich einen langen Augenblick
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